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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Bevölkerungszahl sei gesunken, soziale und rassische Spannungen seien vergessen, der Lebensstandard stiege immer mehr, die Menschheit werde glücklicher, eine Vielzahl von Servomechanismen verrichte alle niedere Arbeit. Ja. Ja. Gut. Aber selbst in einem goldenen Zeitalter mußte jemand unten sein. Krug war es. Sein Vater starb, als er fünf Jahre alt war. Seine Mutter ergab sich dem Alkohol und allen Arten von Drogen und Betäubungsmitteln. Sie bekam ein wenig Geld, nicht viel, von einer Fürsorgeorganisation. Roboter? Roboter waren für reiche Leute da. Meistens war sogar die Datenausgabe gesperrt wegen unbezahlter Rechnungen. Er reiste nie in einer Transmatkabine, bevor er neunzehn Jahre alt war. Nie hatte er Illinois verlassen. Er erinnerte sich daran, wie er damals war: mürrisch, in sich verschlossen, erfüllt von scheelem Mißtrauen, manchmal eine Woche lang oder zwei, ohne mit jemand zu sprechen. Er las nicht. Er spielte nicht, doch er träumte sehr viel. In einem Nebel von Wut und Enttäuschung stand er die Schule durch, lernte nichts. Langsam entwuchs er diesem Zustand, als er fünfzehn war. Es war dieselbe Wut und Enttäuschung, die ihn trieb, nur schwelte sie nicht mehr in ihm, er richtete sie nach außen. Schreien hätte er können: Ich werde euch zeigen, was ich kann. Ich werde es euch allen zeigen! Er programmierte seine Ausbildung selbst. Servotechnologie. Chemie. Er lernte nicht die Grundwissenschaft; er lernte es, die Dinge zusammenzusetzen. Schlaf? Er brauchte keinen Schlaf. Studieren. Tag und Nacht Studieren. Schweiß. Man sagte, er besäße eine bemerkenswerte intuitive Auffassungsgabe für strukturelle Zusammenhänge. Er fand einen Gönner in Chicago. Das Zeitalter des Privatkapitalismus war angeblich tot, ebenso das Zeitalter des individuellen Erfinders in seinem Kämmerlein. Doch er baute einen besseren Roboter. Krug erinnerte sich lächelnd an den Transmatsprung nach New York, die Verhandlungen, die Anwälte. Und Geld auf der Bank. Geld! Der neue Thomas Edison. Er war neunzehn. Er pfropfte sein Laboratorium voll mit Apparaten und hielt Ausschau nach großartigeren Projekten. Mit zweiundzwanzig begann er, an den ersten Androiden zu basteln. Es dauerte lange. Zellen unter dem Mikroskop, Sperma, Blut. In diesen Jahren begannen die Sonden von den nächsten Sternen zurückzukehren, Fehlanzeige. Keine fortgeschrittenen Formen des Lebens zu finden dort draußen. Er war jetzt finanziell genügend sichergestellt, um sich weniger dem Geschäft zu widmen, sich den Luxus der Frage nach dem Platz des Menschen im Kosmos zu stellen. Er grübelte. Er setzte sich mit den landläufigen Theorien von der Einzigartigkeit des Menschen auseinander. Doch er arbeitete weiter, experimentierte mit Nukleinsäuren, überanstrengte seine Augen, tauchte seine Hände tief in mit Schleim, Sperma und Blut gefüllte Gefäße, verband die Porteinketten miteinander, kam dem Erfolg meßbar näher. Wie kann der Mensch allein sein im Universum, wenn ein Mann Leben schaffen kann? Schaut, wie leicht es ist! Ich tue es: bin ich Gott? Kessel voll Purpur, Grün, Gold, Rot, Blau. Und schließlich entstand Leben in den Bottichen. Androiden taumelten aus den schäumenden Chemikalien der Brutkammern. Ruhm. Geld. Macht. Eine Frau, ein Sohn, ein Imperium. Grundbesitz auf drei Welten, auf fünf Monden. Frauen, so viel er wollte. Er war groß geworden, um die Phantasien seiner eigenen Jugend zu verwirklichen. Krug lächelte. Der junge, magere, picklige Krug war noch immer hier in diesem untersetzten Mann, zornig, mißtrauisch, ehrgeizig. Hast du es ihnen gezeigt? Du hast es Ihnen gezeigt! Und jetzt wirst du zu den Menschen auf den Sternen vordringen. Die Stimme Krugs würde die Lichtjahre überbrücken. »Hallo? Hallo? Hallo! Hört Ihr! Hier ist Simeon Krug!« Rückblickend sah er sein ganzes Leben als einen einzigen gradlinigen Weg, der ohne Umweg oder Unterbrechung zu diesem einen Ziel führte. Hätte er sich nicht in brennendem Ehrgeiz verzehrt, dann gäbe es heute keine Androiden. Ohne seine Androiden gäbe es nicht genügend geschickte Arbeitskräfte, den Turm zu bauen. Ohne seinen Turm…
    Er betrat die nächste Transmatkabine und stellte Koordinaten ein, ließ seine Finger blind den Bestimmungsort wählen. Er ließ sich durch den entmaterialisierten Raum schleudern und sah, daß er sich in dem kalifornischen Haus seines Sohnes Manuel befand.
    Er hatte nicht vorgehabt, hierher zu kommen. Er stand blinzelnd im Licht der Nachmittagssonne,

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