064 - Die Orgie der Teufel
Der Dämon saß immer noch im Affenbrotbaum.
Er ließ sich weder durch das Stakkato der Trommeln noch durch die herausfordernden Gebärden der Tänzer und die Beschwörungen des Medizinmanns verjagen.
Der junge Ewe Bhawa hatte den Baum zufällig entdeckt. Sein Anblick hatte ihn dermaßen erschreckt, daß er sofort den Medizinmann verständigt hatte. Und dieser hatte an der ungewöhnlichen Form des Baumes sofort erkannt, daß in ihm ein tro - ein furchtbarer Dämon - nistete.
Jetzt, im Licht der untergehenden Sonne, wirkte der Affenbrotbaum noch bedrohlicher. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß der Dämon nicht daran dachte, ihn zu verlassen.
Aber der Dämon mußte vertrieben werden, wollte man vermeiden, daß er furchtbares Unheil über den ganzen Stamm brachte.
Die Bewegungen der Tänzer wurden immer schneller, ihre Gebärden und Schreie herausfordernder. Einige brachen vor Erschöpfung zusammen und blieben mit verschwitzten zuckenden Körpern liegen. Sie wurden von ausgeruhten Stammesangehörigen abgelöst. Der Tanz durfte nicht einen Augenblick unterbrochen werden, denn das hätte der tro als Schwäche angesehen.
Der Medizinmann hatte seinen größten Zauber angewandt - doch der tro ließ sich auch davon nicht verjagen. Da gab der Medizinmann Bhawa das Zeichen, und der junge Ewe betrat in vollem Kriegsschmuck den Kreis der Tänzer. Die Stammesnarben an seinem kraftvollen Körper waren noch frisch, denn der Initiationsritus hatte erst vor wenigen Tagen stattgefunden. Dennoch ruh ten nun die Hoffnungen des ganzen Stammes auf ihm. Er hatte den Dämonenbaum entdeckt, und deshalb stand er mit dem tro in besonderer Beziehung.
Schon als sich Bhawa mit den ersten Tanzschritten dem Affenbrotbaum näherte, spürte er, daß er es hier mit einem überaus mächtigen und bösartigen tro zu tun hatte. Er würde sich mit keinem geringen Opfer zufriedengeben. Vielleicht wollte er sogar Bhawas Leben.
Der junge Ewe nahm die Herausforderung des Baumes an. Erging zum Angriff über, stieß schrille Schreie aus, die den tro reizen sollten, und richteten drohend seinen Speer gegen ihn...
Da begann der Dämon im Baum zu heulen und rascheln. Ein Windstoß fuhr in die Reihen der Tänzer, wirbelte sie durcheinander und riß den Medizinmann von den Beinen.
Nur Bhawa blieb hoch aufgerichtet stehen. Doch als er schon triumphieren wollte, schlug etwas wie ein Blitz in seinem Körper ein. Es war der tro !
Bhawa erstarrte. Schwärze senkte sich über ihn. Die Sonne erstarb, und der Affenbrotbaum wurde von der Dunkelheit verschluckt.
Der junge Ewe hielt sich noch immer tapfer auf den Beinen. Aber er war allein.
Im Nichts.
Langsam lichtete sich das Dunkel und zeigte ihm eine fremde Umgebung.
Zur selben Zeit setzte sich in London der Vertreter Laurence Wytton in den Sessel eines Augenarztes.
Es war, nach Greenwich mean time - ebenso wie in Togo - Punkt neunzehn Uhr, als der Augenarzt die Bemerkung machte, daß Wytton sein letzter Patient sei.
Laurence Wytton hatte plötzlich ein unerklärliches Gefühl der Beklemmung, als es in der Ordination dunkel wurde und die kleine Taschenlampe des Arztes die einzige Lichtquelle war. Panik ergriff ihn. Er konnte nicht sagen, was der Anlaß war, aber es schien ihm, als stürze er in einen bodenlosen Abgrund.
„Na, na, na", tadelte der Augenarzt. „Wer wird denn gleich... Öffnen Sie die Augen weit, Mr. Wytton. Noch weiter... Ich träufle Ihnen jetzt eine Flüssigkeit in die Augen, die Ihre Pupille weitet. Das spüren Sie nicht einmal..."
Laurence Wyttons Augen öffneten sich tatsächlich weit, als er die Pipette mit dem Tropfen glasklarer Flüssigkeit auf sich zukommen sah.
„So ist es recht, Mr. Wytton."
Aber seine Augen weiteten sich vor Angst. Er dachte mit Schrecken daran, was geschehen würde, wenn der Augenarzt die harmlose Flüssigkeit gegen eine Säure ausgetauscht hätte. Wie kindisch von ihm. Narr! Schalt er sich. Aber das verringerte seine Angst nicht. Im Gegenteil - er bäumte sich auf, als sich ein Tropfen von der Pipette löste. Er sah ihn langsam, wie in Zeitlupe, auf sein Auge niedersinken, ihn größer und immer größer werden... Und dann kam der Aufprall, und es brannte wie Feuer, und er glaubte von einer Flut hinweggespült zu werden, und er wurde in einem wirbelnden Strudel hinabgerissen, und er schrie vor Schmerz und schloß die brennenden Augen und machte mit Armen und Beinen rudernde Bewegungen, um irgendwo einen Halt zu finden.
Ich bin blind! dachte er
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