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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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erschauerte, als eine plötzliche Wärmewelle seine von der arktischen Luft abgekühlte Haut traf. Unter seinen Füßen lag ein schimmernder Fußboden aus dunkelrotem Stein. Die Wände, die ihn umgaben, funkelten im Licht mehrphasiger, im Fundament installierter Projektoren. Über ihm war kein Dach, nur ein auf das blaue Ende des Spektrums eingestelltes Isolationsfeld, durch das die mit Früchten behangenen Zweige eines Baumes mit federartigen, graugrünen Blättern herabhingen. Er konnte das Brausen der Brandung hören. Ein halbes Dutzend Haushaltsandroiden, die ihren Beschäftigungen nachgingen, starrten ihn an. Er hörte ihr scheues Flüstern: »Krug… Krug…«
    Clarissa erschien. Sie trug ein grünes Schleiergewand, das ihre kleinen hohen Brüste, ihre knochigen Hüften, ihre schmalen Schultern kaum verhüllte. »Du hast mir nicht gesagt, daß du…«
    »Wußte es nicht«, murmelte er und senkte den Kopf.
    »Ich hätte etwas vorbereitet!«
    »Ich brauche nichts Besonderes. Ich komme nur vorbei. Ist Manuel…«
    »Er ist nicht hier.«
    »Nein? Wo ist er?«
    Clarissa hob und senkte die Schultern. »Er ist ausgegangen, irgendwelche Geschäfte, glaube ich. Er kommt erst zum Abendessen zurück. Kann ich dir…«
    »Nein. Nein. Welch schönes Haus ihr habt, Clarissa. Warm, gemütlich. Du und Manuel, ihr müßt sehr glücklich sein hier.« Er betrachtete ihre schlanke Gestalt. »Es ist auch ein guter Ort, um Kinder zu kriegen. Der Strand… die Sonne… die Bäume…«
    Ein Android brachte zwei Liegestühle, stellte sie mit raschen Handgriffen auf. Ein anderer schaltete den Wasserfall auf der Landseite des Hauses ein. Ein dritter zündete einen Aromaspender an, und bald entfaltete sich der Duft von Nelken und Zimt im Raum. Ein vierter bot Krug ein Tablett mit milchig-weißen Süßigkeiten an. Krug schüttelte den Kopf. Er blieb stehen. Auch Clarissa setzte sich nicht. Sie schaute unbehaglich zu Boden. »Wir sind noch nicht lange verheiratet«, sagte sie. »Für Kinder haben wir noch Zeit.«
    »Ihr seid ja schon zwei Jahre verheiratet? Lange Flitterwochen!«
    »Nun…«
    »Besorgt euch zumindest euer Zertifikat. Ihr könntet anfangen, an Kinder zu denken. Ich meine, es ist Zeit, daß ihr… daß ich ein Enkelkind bekomme…«
    Sie hielt ihm das Tablett mit den Süßigkeiten hin. Ihr Gesicht war bleich; Ihre Augen waren wie Opale in einer gefrorenen Maske. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Die Androiden übernehmen sämtliche Arbeiten für die Erziehung des Kindes. Und wenn du es nicht selbst austragen willst, könnte es ektogenetisch…«
    »Bitte!« sagte sie leise. »Wir haben bereits darüber gesprochen. Ich bin so müde heute.«
    »Es tut mir leid.« Er verfluchte sich selbst, daß er sie so bedrängte. Sein alter Fehler, Zartgefühl war nicht seine Stärke. »Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Nur müde«, erwiderte sie. Sie schien sich zu bemühen, mehr Energie zu zeigen, als in ihr war. Sie winkte, und einer ihrer Betas begann einen Stapel von glänzenden Metallreifen zu montieren, die geheimnisvoll um eine verborgene Achse rotierten. Eine neue Skulptur? fragte sich Krug. Ein zweiter Android rückte die Wände, und ein Strahl von warmem bernsteinfarbenen Licht fiel auf ihn und Clarissa. Musik erklang in der Luft aus mikroskopischen glitzernden Lautsprechern, die, fein wie eine Staubwolke, im Garten schwebten. Clarissa sagte überlaut: »Wie geht es deinem Turm?«
    »Wunderbar. Wunderbar. Du solltest ihn sehen.«
    »Vielleicht werde ich nächste Woche kommen. Wenn es nicht zu kalt ist dort oben. Ist er schon fünfhundert Meter hoch?«
    »Höher. Wächst ständig. Nur nicht schnell genug. Ich erwarte schmerzhaft, daß er fertig wird, Clarissa, daß ich ihn benutzen kann. Ich bin krank vor Ungeduld.«
    »Du siehst heute ein wenig abgespannt aus«, sagte sie. »Fiebrig, innerlich erregt. Du solltest dich manchmal ausruhen.«
    »Ich? Mich ausruhen? Warum? Bin ich so alt?« Er wurde sich bewußt, daß er heftig geworden war. Er fuhr in ruhigerem Ton fort: »Vielleicht hast du recht. Ich weiß nicht. Ich gehe jetzt besser. Ich will dich nicht stören. Wollte nur einen kleinen Besuch machen. Sage Manuel, es war nichts Besonderes. Nur um guten Tag zu sagen. Wann habe ich ihn überhaupt das letztemal gesehen? Vor zwei, drei Wochen? Nicht seit er aus diesem Egotauschinstitut kam. Ein Mann kann wohl von Zeit zu Zeit seinen Sohn besuchen.« Impulsiv griff er nach ihr, zog sie an sich. Er fühlte sich wie ein Bär, der eine

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