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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Abnutzungserscheinung, die bei Gammas auftritt; führt zu geistiger Umnachtung.
    Und Solidifier?
    Eine Muskelkrankheit. Versteifung des Gewebes oder etwas ähnliches. Ich bin nicht sicher. Nur Gammas bekommen sie. Vielleicht ein Konstruktionsfehler.
    Ich runzle die Stirn. Weiß mein Vater davon? Er steht hinter der Integrität seiner Produkte. Wenn Gammas anfällig sind für geheimnisvolle Krankheiten…
    Da ist ein Slobiesüchtiger, sagt Lilith.
    Ein Android kommt die Straße herauf auf uns zu, schwebend, gleitend, tanzend, gespenstisch langsam, wie in einem Film, der in Zeitlupe abläuft, die Augen nur einen Spalt geöffnet, das Gesicht wie im Traum verzückt, die Arme ausgestreckt, die Finger locker hängen lassend. Er sucht tastend seinen Weg, als ginge er durch die dichte Atmosphäre des Jupiters. Er trägt nur ein Stück Stoff um die Hüften, doch er schwitzt in der eisigen Luft. Mit rauher, summender Stimme spricht er zu sich selbst. Nach einer Zeit, die mir wie vier Stunden erscheint, erreicht er uns, pflanzt sich vor uns auf, lehnt den Kopf zurück, stemmt die Hände in die Hüften, schweigend, eine Minute lang. Schließlich sagt er mit tiefer rauher Stimme und mit entsetzlicher Langsamkeit, Al… al… lo… Al… phas… schö… ne… Al… phas
    Lilith sagt ihm, er soll weitergehen.
    Zunächst keine Reaktion. Dann fällt sein Gesicht in sich zusammen. Unaussprechliche Traurigkeit. Er hebt die linke Hand in einer unbeholfenen klauenartigen Geste, berührt die Stirn, läßt die Hand auf die Brust sinken, auf das Geschlecht. Er macht das Zeichen umgekehrt… Was bedeutet das? Er sagt in tragischem Ton, ich… liebe… die… schö… nen… Al… phas.
    Ich sage zu Lilith, was ist das für eine Droge?
    Sie verlangsamt das Zeitempfinden. Eine Minute wird eine Stunde für sie. Das verlängert ihre Freizeit. Natürlich bewegen wir uns wie Wirbelwinde um sie. Gewöhnlich bleiben die Süchtigen beisammen, im gleichen Zeitschema. Es gibt ihnen die Illusion von Tagen zwischen jeder Arbeitsschicht.
    Eine gefährliche Droge?
    Sie sagen, sie beraubt einen um eine Stunde der Lebenserwartung für die zwei Stunden, die man unter ihrem Einfluß steht. Doch die Gammas halten das für ein gutes Geschäft. Verzichte auf eine objektive Stunde und gewinne zwei oder drei subjektive Tage… Warum nicht?
    Doch es schwächt die Arbeitskraft!
    Gammas haben das Recht, mit ihrem Leben zu tun, was sie wollen, ist das nicht so, Alpha Leaper? Du bist doch nicht etwa auch der Ansicht, daß sie nur Eigentum sind und daß jede Art von Selbstzerstörung, die der Gamma betreibt, ein Verbrechen gegen seinen Besitzer ist?
    Nein. Nein. Natürlich nicht, Alpha Meson.
    Ich habe auch nicht geglaubt, daß du so denkst, sagt Lilith.
    Der Slobiesüchtige umkreist uns mit entnervender Langsamkeit, singt etwas so langsam, daß ich unfähig bin, die einzelnen Silben miteinander zu verbinden und einen Sinn herauszuhören. Er bleibt stehen. Ein eisiges Lächeln breitet sich unendlich langsam auf seinem Gesicht aus. Er gibt ein grollendes Knurren von sich. Er sinkt ungelenk in Hockstellung. Seine Hand hebt sich mit gekrümmten Fingern wie eine Klaue. Sie ist offensichtlich auf Liliths Brust gerichtet. Keiner von uns bewegt sich.
    Jetzt verstehe ich das Singsang des Gammas:
    A…A…A…A…A…G…A…A…
    C…A…A…U…
    Was versucht er zu sagen?
    Lilith schüttelt den Kopf. Es ist nicht wichtig, sagt sie.
    Sie tritt zurück, als die zeigende Hand nur noch zehn Zentimeter von ihrem Busen entfernt ist. Auf dem Gesicht des Gammas beginnt Unmut an die Stelle des Lächelns zu treten. Er scheint verletzt. Sein Gesang nimmt einen fragenden Ton an:
    A…U…A…A…U…G…A…
    U…C…A…U…U…
    Das Geräusch langsamer, schleppender Schritte näherte sich von hinten. Es ist ein zweiter Slobiesüchtiger: ein Mädchen, bekleidet mit einem zerfetzten, langen Mantel, der von ihrer Schulter herabhängt, und den sie wie eine Schleppe mehrere Meter hinter sich herschleift. Er ist vorn geöffnet, ihre Schenkel und Lenden sind nackt. Sie hat ihr Haar grün gefärbt und es in Form einer Tiara hochgebunden. Ihr Gesicht ist verwüstet und bleich und ihre Augen sind kaum geöffnet. Ihre Haut ist naß vor Schweiß. Sie schwebt auf unsern Freund zu und sagt etwas zu ihm mit einer verblüffenden Baritonstimme. Er antwortet wie im Traum. Ich kann nichts von dem verstehen, was sie sagen. Ist es wegen der verlangsamenden Droge oder sprechen sie einen Gammadialekt? Etwas

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