Kinder der Retorte
der Europäischen Transmatgesellschaft, Leon Spaulding und Mordecai Salah al-Din, der Sprecher des Kongresses. Um den Nemoclub zu erreichen, waren sie per Transmat zu der Insel Yap in der Karolinengruppe Mikronesiens gereist, wo sie an Bord eines Tauchschiffs gegangen waren, wie sie bei der Erforschung des Jupiter und des Saturn verwendet wurden. Die Dichte des Mediums machte Transmatreisen unter Wasser möglich. Das Tauchschiff widerstand dem immensen Wasserdruck, und mit einer stetigen Geschwindigkeit von 750 Meter in der Minute sank es in die Tiefe des Ozeans und legte an der Schleuse des Nemoclubs an.
Flutlichter erhellten den Abgrund. Die Bewohner des Abgrunds kamen ganz nah heran an die Glaswände des Clubs: zerbrechliche, zarte, muskellose Fische mit weichen, schlaffen Körpern, deren Gewebe unter einem Druck von zehn oder zwölf Tonnen pro Quadratzentimeter vom Wasser durchdrungen waren. Manche unter ihnen strahlten mit Leuchtorganen, die aus ihren Flanken wuchsen, zwischen ihren Augen saßen oder baumelnd aus ihrer Stirn ragten, ein kaltes phosphoreszierendes Licht aus. Die Wellenlängen der Flutlichter waren sorgfältig abgestimmt worden, um die Leuchtkraft der Fische nicht zu beeinträchtigen, damit die kleinen, funkelnden Lampen trotz der künstlichen Helle sichtbar blieben. Justin Maledetto, der Architekt des Turms, hatte auch den Club gebaut, und Maledetto war ein Meister in solchen Kleinigkeiten. Ganz nahe an die Mauer kamen die bizarren kleinen Ungeheuer, schwarz und braun und rot und violett. Viele von ihnen hatten ausgehängte Unterkiefer, so daß ihre Mäuler sich bis zur Brust öffneten und Feinde verschlingen konnten, die fast so groß waren wie sie selbst. Die Gäste des Clubs speisten angesichts von Miniaturungeheuern, die geheimnisvoll leuchteten, drohende Zähne in klaffenden Mäulern zeigten, seltsame Anhängsel hinter sich herschleppten, mit Augen starrten, die wie Kugeln hervortraten oder auf Röhren saßen. Man brauchte nicht zu fernen Welten zu reisen, um groteske Tiere zu sehen. Alptraumgeschöpfe gab es auch hier. Lange, schlangenähnliche Fische mit gekrümmten Zähnen, die so lang waren, daß die Mäuler sich nie schließen konnten, Fische, die nur Kinnbacken zu sein und keinen Leib zu haben schienen, andere, die nur Schwanz waren und keinen Kopf hatten, Anglerfische mit sich windenden und tanzenden Fühlern, die sich gelb, blau oder grün verfärbten, wunderliche Gebilde tausendfältiger Art, und kein Fisch von weniger als einem halben Meter Länge: ein bizarres Schauspiel von einzigartiger Pracht.
Krug bestellte eine einfache Mahlzeit: Cocktail, Algensuppe, Steak, australischen Rotwein. Er war kein Gourmet. Der Club bot alle Arten von Delikatessen, doch Krug machte nie Gebrauch von der reichen Auswahl. Seine Gäste hingegen zeigten keine Hemmungen; sie bestellten schwedische Austern, französische Krabben, ungeborene Tintenfische, Kalbsfilets, Schlangeneier, Antilopenbrust, Wolfsmilchknospen, Mantaspitzen, gebackene Zikadenherzen, und alles wurde hinuntergespült mit den besten Weinen der Erde. Die Kellner schienen entzückt von ihrem Appetit. Alle Kellner des Clubs waren Alphas; es war ungewöhnlich, Alphas mit Arbeiten zu beschäftigen, die als Dienstleistungen galten. Doch dies war ein ungewöhnlicher Ort, und kein Belegschaftsangehöriger des Nemoclubs schien verbittert darüber, daß er eine normalerweise den Betas oder Gammas vorbehaltene Arbeit verrichten mußte.
Doch die Kellner schienen nicht ganz zufrieden zu sein mit ihrem Platz im Leben. Als die Vorspeisen serviert waren, sagte Senator Fearon zu Krug: »Haben Sie das AGP-Abzeichen auf dem Rockaufschlag Ihres Kellners gesehen?«
»Scherzen Sie?«
»Ein sehr kleines. Man muß scharf hinsehen, um es zu entdecken.«
Krug sah zu Spaulding hinüber. »Wenn wir gehen, sprechen Sie darüber mit dem Kapitän. Ich wünsche keine Politik hier!«
»Erst recht keine revolutionäre Politik«, sagte Franz Giudice und lachte. Der Transmatchef, lang und eckig, war bekannt für seinen Zynismus. Obwohl über neunzig, kleidete er sich wie ein Mann, der halb so alt war, trug Spiegelplatten und anderen Schmuck. »Wir hüten uns besser vor diesem Kellner. Da wir zwei Kongreßmitglieder am Tisch haben, mischt er vielleicht Propaganda in unsere Gerichte, und wir alle verlassen bekehrt das Lokal.«
»Glauben Sie wirklich, die AGP ist eine Bedrohung?« fragte Lou Fearon. »Sie wissen, ich habe viel mit diesem Siegfried Fileclerk zu tun
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