Kinder des Wassermanns
»Vielleicht ist es nicht freiwillig gewesen«, antwortete sie. »Was hast du nun eigentlich herausgefunden?« Ihm als Mann war natürlich die Aufgabe zugefallen, mit den Leuten zu sprechen; Panigpaks Geschenk hing unter seinem Hemd. Die Kroaten waren so begierig auf eine Unterhaltung mit diesem Fremden gewesen, daß Tauno bisher kein Augenblick geblieben war, Eyjan ins Bild zu setzen.
»Wenig«, gestand er. »Ich wagte es nicht, immer wieder auf diese Frage zurückzukommen, weißt du, denn mit unseren angeblichen Geschäften hat sie ja nichts zu tun. Und ich bin nicht geschickt darin, jemandem die Würmer aus der Nase zu ziehen. Ich konnte nur so nebenbei bemerken, ich hätte Gerüchte gehört und sei neugierig. Die Leute wichen dem Thema aus. Mir schien es weniger daran zu liegen, daß es ihnen unheimlich vorkommt, sondern daß die Mächtigen hier es totschweigen möchten.«
»Aber hast du eine Bestätigung erhalten, daß dort, wohin wir wollen, Seevolk lebt?«
»Aye, und auch, daß sie manchmal zu zweit oder dritt an die Küste kommen und schwimmen. Das müßten sie natürlich ihrer Gesundheit wegen tun, aber es heißt, sie verrichten nützliche Arbeiten wie das Vermessen von Untiefen und das Erkunden von guten Fischgründen. Vor kurzem ist auch eine Anzahl von Männern im Dienst des Herzogs – oder wie der Titel hier lautet – auf Schiffen davongesegelt. Ein Krieg braut sich zusammen; mir ist nicht klargeworden, warum oder wer der Feind ist.« Tauno zuckte die Schultern. »Unser zukünftiger Gastgeber kann uns zweifellos mehr erzählen.«
Eyjan betrachtete ihn forschend. »Hinter diesem sauren Gesicht, Bruder«, sagte sie leise, »zitterst du vor Erwartung, sie wiederzusehen.«
» Du nicht?« fragte er überrascht. »Es ist eine mühsame Suche gewesen ...« – er schlug die Augen nieder, und seine Stimme sank zum Flüstern herab – »..., und diese letzte Reise war der einsamste Teil davon.«
Nun mußte Eyjan das Gesicht abwenden. »Ja. Auf der
Herning
und später in Dänemark hatten wir zwei, die uns liebten.«
»Aber unser eigenes Volk ...«
»Warten wir's ab.« Mehr wollte sie nicht sagen. Tauno fühlte sich richtig erleichtert, als der Kapitän der Wachen an seine Seite ritt und ihn in ehrerbietiger Faszination in ein Gespräch verwickelte.
Obwohl es in der Luftlinie von Schibenik nach Skradin nicht weit war, machte die Straße viele Windungen, um die Wälder zu umgehen, und der Aufbruch war etwas verzögert worden. So stand die Sonne schon niedrig, als die Gesellschaft das Dorf erreichte. Goldene Strahlen fielen durch kühle Luft, und die Schatten waren lang. Während die Kinder des Wassermanns eine Straße zur Burg hinaufritten, warfen sie interessierte Blicke nach allen Seiten, und ihre Herzen klopften schneller. Die Häuser waren aus Holz, mit Grassoden oder Stroh gedeckt wie im Norden, aber die Bauart und die fröhliche Bemalung, die die meisten zeigten, waren ebenso ausländisch wie die Kirche mit ihrem Zwiebelturm am anderen Ende der Stadt. Die Menschen, die stehenblieben und sich den Zug ansahen, waren oft groß und blond, hatten aber runde Schädel und hohe Wangenknochen. Ihre Tracht war auf eine Art geschnitten und ausgeschmückt, die es zu Hause nicht gab. Sie schienen gut genährt zu sein, und sie wichen nicht ängstlich vor den Soldaten zurück, sondern die Männer unter ihnen grüßten sie mit fröhlichen Zurufen. Wie überall in Dalmatien hielten sich die Frauen bescheiden im Hintergrund. Mehrere trugen schwerere Lasten, als es im Land der
Brynhild
üblich war.
Plötzlich fuhr Tauno im Sattel zusammen. Sein Blick wanderte von einem Gesicht mit Kopftuch, unter dem sich eine grünliche Locke hervorstahl, zu bloßen Füßen mit Schwimmhäuten unter dem Rock. »Raxi!« schrie er und riß an den Zügeln.
»Tauno, bist du es, Tauno!« rief die Frau in ihrer alten Sprache. Dann fuhr sie zurück, bekreuzigte sich immer wieder und wieder, und ein Strom hrvatskanischer Worte entrang sich ihr: »Nein! Gott, erbarme Dich, Jesus, erbarme Dich, ich darf nicht, Maria, hilf mir ...« Sie drehte sich um, rannte blindlings um eine Ecke und war außer Sicht.
Tauno wollte abspringen und ihr nachlaufen. Eyjan faßte sein Handgelenk. »Bleib hier, Dummkopf!« fauchte sie.
Er schüttelte sich, holte Atem, gewann die Ruhe zurück und trieb sein Pferd wieder an. »Sie sind schon ein überraschender Anblick«, bemerkte der Kapitän der Wachen. »Aber Ihr braucht Euch nicht vor ihnen zu fürchten,
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