Kinder erziehen - die 101 wichtigsten Fragen und Antworten
Nichtsdestotrotz: Beobachten Sie andere Kinder, sprechen Sie mit Eltern, deren Kinder erwachsen sind, mit Erziehern und Lehrern. Dabei erhält man authentische Informationen darüber, dass bestimmte Phänomene in einem bestimmten Alter auftreten, dass es immer natürliche Schwankungen noch oben und unten gibt und die Entwicklung der verschiedenen Persönlichkeitsbereiche – Intellekt, Körper, Sozialverhalten – selten parallel verläuft. Ein Kind kann intellektuell zehn sein, sozial aber erst acht, oder umgekehrt.
Da man heute oft viel zu schnell geneigt ist, in einem nichtkonformen Verhalten gleich eine Verhaltensauffälligkeit zu vermuten, sollte man sich bewusst machen, dass Grenzüberschreitungen zur Entwicklung einer starken und integren Persönlichkeit gehören. Sie sind die Basis, auf der sich Willenskraft, Selbstverantwortung und Gewissen entwickeln und ethische und soziale Werte verinnerlicht werden. Selbst wenn Eltern alles ganz richtig machen, sind Kinder zeitweise auch mallänger als drei Wochen «von der Rolle». Und das ist völlig in Ordnung.
94 Mein Kind ist schüchtern – wie kann ich ihm helfen?
Eine Studie zeigt, dass mehr als ein Viertel aller Schulkinder dauerhaft mit großer Unsicherheit und Schüchternheit zu kämpfen hat. Wenn sich Schüchternheit festsetzt und das Kind in fast jeder Situation zurückhält, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, kann sie die Lebensqualität erheblich einschränken. Schüchternheit verursacht in hohem Maß Stress, was wiederum eine Reihe von psychosomatischen Krankheiten auslösen kann. Schüchterne Kinder brauchen daher Unterstützung, damit sie ihre Scheu überwinden.
Was können Eltern tun?
Spielen. Geeignet sind Spiele, bei denen es nicht um gewinnen und verlieren geht, die auch keine besondere körperliche oder intellektuelle Leistung erfordern, sondern bei denen man miteinander etwas kreiert: mit Playmobil-Figuren Alltagssituationen nachspielen, zum Beispiel Einkaufen, oder mit der Stofftierfamilie telefonieren.
Auf neue Umgebungen und Begegnungen vorbereiten. Schüchterne Kinder möchten gern wissen, was und wer sie erwartet, was es zu essen gibt, was man dort macht und wo die Toilette ist. (Bieten Sie an, ihr Kind zu begleiten.)
Unabhängigkeit fördern. Um Hilfe zu bitten, fällt schüchternen Kindern schwer. Deshalb sollten sie alltägliche Handgriffe ohne fremde Hilfe ausführen können. Hosen mit Gummizug, Klettverschlüsse, einfach zu öffnende Frühstücksdosen machen das Leben für sie sehr viel einfacher.
Zeigen, wie man mit anderen spricht. Anfangs genügen Begrüßung und Verabschiedung, später kann sich das Kind vielleicht auch selber vorstellen oder Fragen beantworten. Das kann man gut zu Hause üben. Wichtig ist, dass das Kind laut und deutlich spricht, damit es verstanden wird. Auf ungeduldigesNachfragen eines Fremden würde es kein Wort mehr herausbringen. Im «Ernstfall» stellt man sich dann am besten neben sein Kind, nimmt seine Hand oder legt ihm den Arm um die Schulter.
Diskretion. Das Verhalten des Kindes nicht kommentieren, schon gar nicht in seinem Beisein. Wenn jemand das Kind darauf anspricht («du musst doch nicht schüchtern sein»), kann man beispielsweise sagen: «Uli ist nicht schüchtern, er möchte sich nur alles in Ruhe überlegen.»
Ist ein Kind extrem schüchtern und spricht ausschließlich mit engsten Familienmitgliedern, liegt möglicherweise eine Kommunikationsstörung vor. Für Selektiven Mutismus («mutus» ist das lateinische Wort für «stumm») gibt es klare Kriterien: In den immer gleichen, genau definierten Situationen spricht das Kind niemals, und die Störung dauert mindestens einen Monat. Dabei spricht das Kind ansonsten völlig normal, in der Familie sogar besonders viel, und kann auch alles verstehen. Selektiver Mutismus muss und kann erfolgreich therapiert werden.
95 Wie kann ich mein Kind trösten, wenn es Kummer hat?
Kindertränen fließen aus vielen Gründen – und manchmal auch einfach so. Aus der Perspektive des Erwachsenen ist es ein Unterschied, ob Tränen fließen, weil sich ein Kind nicht von seiner Mama trennen kann, oder weil man ihm verbietet, mit Mamas neuem Kleid zu spielen. Aus der Perspektive des Kindes ist das eine so schlimm wie das andere. Differenzieren lernen die meisten Kinder erst am Ende der Grundschulzeit.
Wann und aus welchem Grund auch immer ein Kind weint, es ist in jedem Fall ein Zeichen, dass es unter Stress steht und Zuwendung und Aufmerksamkeit
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