Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache
nettes Mädchen. Mir ist unbegreiflich, wie sie an ihm hängen bleiben konnte. Alan Beckwith ist ein Emporkömmling. Er nennt sich selbst Unternehmer, aber ich habe nie so ganz durchschaut, was er eigentlich genau macht. Unsere Wege haben sich des Öfteren in der Öffentlichkeit gekreuzt, und ich kann nicht gerade behaupten, dass ich beeindruckt gewesen wäre. Reba scheint allerdings restlos begeistert von ihm zu sein. Eines muss ich ihm lassen: Er hat zu ihren Gunsten ausgesagt, bevor sie verurteilt worden ist. Das war eine großzügige Geste von ihm, zu der er nicht unbedingt verpflichtet gewesen wäre.«
»Wie lange war sie im Gefängnis?«
»Sie hat zweiundzwanzig Monate einer vierjährigen Haftstrafe abgesessen. Es kam nie zur Verhandlung. Als sie zur Anklage vernommen wurde – wobei ich bedauerlicherweise nicht anwesend war –, hat sie sich für mittellos erklärt, also hat das Gericht einen Pflichtverteidiger ernannt, der mit ihrem Fall betraut wurde. Nachdem sie sich mit ihm beratschlagt hatte, hat sie auf ihr Recht auf eine Voruntersuchung verzichtet und sich für schuldig erklärt.«
»Einfach so?«
»Leider ja.«
»Und ihr Anwalt ist darauf eingegangen?«
»Er hat massive Einwände dagegen vorgebracht, aber Reba wollte nichts davon wissen.«
»Um wie viel Geld ging es denn?«
»Dreihundertfünfzigtausend Dollar in einem Zeitraum von zwei Jahren.«
»Wie wurde der Diebstahl bemerkt?«
»Durch eine routinemäßige Buchprüfung. Reba war eine von einer Hand voll Angestellten mit Zugang zu den Konten. Natürlich fiel der Verdacht auf sie. Sie hat schon vorher Ärger gehabt, aber noch nie etwas in dieser Größenordnung.«
In mir regte sich Protest, doch ich verkniff mir eine Entgegnung.
Er beugte sich vor. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, nur immer heraus mit der Sprache. Stacey hat mir erzählt, dass Sie kein Blatt vor den Mund nehmen, also bitte zögern Sie nicht aus Rücksicht auf mich. Womöglich erspart uns das Missverständnisse.«
»Ich habe mich nur gerade gefragt, warum Sie nicht eingegriffen haben. Ein erstklassiger Anwalt hätte vielleicht ein ganz anderes Ergebnis erzielt.«
Er ließ den Blick auf seine Hände sinken. »Ich hätte ihr helfen sollen … das weiß ich … aber ich bin ihr viele, viele Jahre immer wieder zu Hilfe gekommen … eigentlich ihr ganzes Leben lang, wenn Sie’s genau wissen wollen. Zumindest haben Freunde von mir das gesagt. Sie meinten, Reba müsse sich den Konsequenzen ihres Tuns stellen, sonst würde sie nie etwas lernen. Sie meinten, ich würde ihr Verhalten unterstützen, und ihr erneut aus der Patsche zu helfen wäre angesichts der Umstände das Dümmste, was ich tun könnte.«
»Wer sind diese ›Freunde‹, von denen Sie sprechen?«
Zum ersten Mal war er um eine Antwort verlegen. »Ich hatte eine Freundin namens Lucinda. Wir kannten uns schon seit Jahren. Sie hat immer wieder miterlebt, wie ich zugunsten von Reba eingegriffen habe. Sie hat mich dazu überredet, hart zu bleiben, und das habe ich auch getan.«
»Und jetzt?«
»Offen gestanden war ich schockiert, als Reba zu vier Jahren im Staatsgefängnis verurteilt wurde. Ich hätte nie damit gerechnet, dass die Strafe so hart ausfallen könnte. Ich dachte, der Richter würde eine Bewährungsstrafe verhängen, so wie es der Pflichtverteidiger vorgeschlagen hatte. Jedenfalls haben Lucinda und ich uns gestritten, sogar ziemlich erbittert. Ich habe die Beziehung beendet und jeden Kontakt zu ihr abgebrochen. Sie war wesentlich jünger als ich. Rückblickend betrachtet, wird mir klar, dass sie für sich selbst etwas herausholen wollte und wohl auf eine Heirat gehofft hat. Reba konnte sie auf den Tod nicht ausstehen. Das wusste Lucinda natürlich.«
»Was ist mit dem Geld passiert?«
»Reba hat es verspielt. Sie hatte schon immer einen Hang zum Kartenspielen. Auch zu Roulette und Spielautomaten. Außerdem liebt sie Pferdewetten, aber sie versteht nichts davon.«
»Sie hat ein Problem mit Glücksspielen?«
»Ihr Problem ist nicht das Spielen, sondern das Verlieren«, erwiderte er mit einem kaum angedeuteten Lächeln.
»Wie steht’s mit Drogen und Alkohol?«
»Da muss ich in beiden Punkten ja sagen. Sie hat einen Hang zum Leichtsinn, eine wilde Seite, genau wie ihre Mutter. Ich hoffe, das Leben im Gefängnis hat sie Selbstdisziplin gelehrt. Was Ihren Auftrag angeht, da improvisieren wir einfach. Es geht nur um zwei, drei Tage, höchstens eine Woche, bis sich Reba wieder eingelebt hat. Da Ihre
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