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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Einer Digitalanzeige neben jedem Aufzug war zu entnehmen, dass sie alle hier im Erdgeschoss bereitstanden.
    In der Mitte der Eingangshalle hatte man einen perfekten Kreis aus Granit in den Boden eingelassen, dessen schräg abfallende Seiten von einem permanenten Wasserfall bespült wurden, gespeist von einer um den Rand verlaufenden, etwa fünfzehn Zentimeter breiten Rinne. Das Geräusch war beruhigend, doch in ihrer optischen Wirkung ähnelte die Anlage in meinen Augen eher einer Toilette als dem stillen Becken, das sie darstellen sollte.
    Ein uniformierter Wachmann saß an einem hohen Tresen aus geschliffenem Onyx. Er war hager, etwas über sechzig, hatte graumelierte, dunkle Haare und ein ausdrucksloses, gut geschnittenes Gesicht. Ich fragte mich kurz, welche merkwürdigen Umstände ihn hier hatten landen lassen. Es gab ja bestimmt nur wenig zu bewachen und noch weniger zu sichern. Saß er seine gesamte Acht-Stunden-Schicht nur ab? Ich sah keinen Hinweis darauf, dass er diskret vor Blicken verborgen ein Buch im Schoß gehalten hätte. Es gab auch kein Radio oder Mini-Fernsehgerät. Kein Skizzenbuch oder Rätselheft. Seine Blicke folgten uns, und sein Gesicht drehte sich langsam mit, als wir die kalte Fläche aus poliertem Granit überquerten.
    Marty hob die Hand und erntete dafür einen unverwandten Blick. Reba lächelte den Wachmann an und gönnte ihm die volle Pracht ihrer großen, dunklen Augen. Dies wurde mit einem verhaltenen Lächeln belohnt. An der Aufzugtür holte sie Marty ein. »Wie heißt er denn? Der ist ja süß.«
    »Willard. Er arbeitet nachts und an den Wochenenden. Keine Ahnung, wer tagsüber dran ist.«
    Wir betraten den Aufzug, und Marty drückte den Knopf für die dritte Etage. »Du hast eine Eroberung gemacht. Das war das erste Mal, dass ich ihn habe lächeln sehen«, sagte er.
    »Mit Wachleuten auszukommen ist mittlerweile eine Spezialität von mir«, erklärte sie. »Obwohl in meinem Fall >Gefängniswärter< das korrekte Wort wäre.«
    Da Becks Büro den gesamten dritten Stock einnahm, öffneten sich die Aufzugtüren direkt in den Empfangsbereich, wo ein dicker, hellgrüner Teppichboden sämtliche Geräusche dämpfte. Alles war strahlend hell erleuchtet, doch außer uns war ganz offensichtlich niemand da. Moderne Möbel und zeitgenössische Kunst mischten sich mit Antiquitäten. Raumteiler aus geätztem Glas trennten den Empfang von einem lichten Konferenzraum. Von unserem Standort aus gesehen erstreckten sich in vier Richtungen Korridore wie die Speichen eines Rads. Die Flure schienen sich gemeinsam mit breiten Farbbändern in die Länge zu ziehen, die schwungvolle Kringel an die Wände zeichneten.
    »Oh, Marty. Das ist ja traumhaft. Beck hat zwar schon gesagt, dass es spektakulär geworden ist, aber das ist wirklich gigantisch. Dürfen wir uns umsehen?«
    »Aber macht nicht zu lang. Ich will nach Hause.«
    »Ich verspreche, dass wir uns beeilen. Sieh’s doch mal so: Wenn dieser Abstecher ins Gefängnis nicht gewesen wäre, würde ich selbst hier arbeiten. Gibt es auch einen Dachgarten?«
    »Die Treppe ist da hinten. Du kannst sie nicht verfehlen. Ich bin dann in meinem Büro den Flur hier entlang.«
    »Man könnte sich hier glatt verlaufen«, sagte Reba.
    »Das lass lieber. Beck wird ohnehin nicht begeistert sein, wenn er hört, dass du hier warst.«
    »Ich schweige wie ein Grab«, versprach sie und ließ ihn ihre Grübchen sehen.
    Reba drehte eine Runde um den Empfangsbereich, und ich folgte ihr. Solange Marty anwesend war, wirkte sie in ihrer unverhohlenen Begeisterung fast kindlich. Immer wieder steckte sie den Kopf in ein Büro und machte ooh und aah. Marty sah uns kurz zu, ehe er in entgegengesetzter Richtung davonging.
    Sobald er außer Sichtweite war, ließ Reba jegliche vorgetäuschte Besichtigungsmanier fallen und machte sich ans Werk. Ich blieb an ihrer Seite, während sie die Namen studierte, die vor jedem Büro an der Wand angebracht waren. An Onnis Zimmer angelangt, warf sie einen Blick den Flur entlang, um sich zu vergewissern, dass Marty nicht in der Nähe war. Sie trat an Onnis Schreibtisch, holte ein Papiertaschentuch aus einer Schachtel und zog mit dessen Hilfe eine Schublade nach der anderen auf. »Halten Sie Wache, okay?«
    Ich spähte in den Flur hinter mir. Durchsuchungen sind meine absolute Lieblingsbeschäftigung (abgesehen von den Stunden mit Cheney Phillips in jüngster Zeit). Der aufregende Nervenkitzel, in die Privatsphäre anderer Leute einzudringen, wird noch

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