Klar Schiff zum Gefecht
ihm nach seiner Rückkehr von der Miranda in die Kajüte gefolgt waren.
In seinen Gedanken schwirrten so viele Fragen und Vermutungen, sein Gehirn war vom Anblick und von den Geräuschen an Bord der Fregatte so zerschlagen, daß er einige Augenblicke lang überhaupt nicht sprechen konnte.
Über der Kajütsdecke dröhnten Hämmer, Sägen raspelten. Die Besatzung arbeitete immer noch, um die Schäden auszubessern. Nachdem er eine Stunde an Bord der Miranda zugebracht hatte, überraschten ihn nun hier auf der Sparrow die Zielsicherheit und Ordnung, mit der seine eigene Besatzung sich an die Arbeit gemacht hatte. Die Szenerie, die er soeben verlassen hatte, stand in schrecklichem Gegensatz zu der Hingabe, mit der seine Leute alles, was im Gefecht zerstört worden war, wieder instand setzten.
Der Segelmacher hatte mit seinen Maaten die zerfetzten Segel von den Rahen genommen und neue angeschlagen. Mit Segelhandschuhen und blitzenden Nadeln hockten sie nun an Deck und flickten das zerschlissene Tuch. Garby, der Schiffszimmermann, hatte ihn an der Schanzkleidpforte erwartet und gemeldet, daß die Artillerie der Brigg keinen allzu großen Schaden angerichtet hatte. Seine Leute waren schon dabei, die zwei Einschüsse unter der Wasserlinie zuzupfropfen. Andere Beschädigungen sollten noch vor Sonnenuntergang repariert werden. Garby hatte rasch und berufsmäßig sachlich gesprochen. Wie alle Männer an Bord wehrte auch er sich dagegen, an das Schicksal der Miranda zu denken, das auch sie so leicht hätte treffen können.
Graves brach als erster das Schweigen in der Kajüte.
»Geschütze sind festgezurrt, Sir. Keine Schäden an Taljen und Pforten.«
Unter dem starren Blick Bolithos senkte er die Augen. »Besser als wir hoffen konnten, Sir.«
Langsam fragte Tyrell. »Wie sieht es aus, drüben, Sir?«
Bolitho ließ sich in einen Stuhl fallen und streckte seine Beine vor sich hin. Seine Hosen waren vom Pulverqualm geschwärzt. Wie es dort aussah? Wieder tauchten vor seinen Augen die Bilder voll Tod und Grauen auf, die wenigen, unverletzten Leute, die sogar jetzt noch versuchten, das Wrack in Ordnung zu bringen. Rußflecken und große, allmählich eintrocknende Blutlachen, zerfetzte Menschen unter herabgestürzten Spieren und zerborstenen Planken verknäuelt. Es war ein Wunder, daß die Miranda sich noch über Wasser halten konnte.
»Sie hoffen dort, morgen ein Notrigg auftakeln zu können«, antwortete Bolitho. »Vorausgesetzt, daß der Wind nicht zulegt und die Pumpen nicht verstopfen, werden sie etwas Fahrt machen können.« Er rieb seine Augen mit den Knöcheln. Die Erschöpfung zwängte ihn wie ein Schraubstock ein.
»Einige der Verwundeten werden sofort auf die Transportschiffe gebracht werden. Sie finden dort bessere Bedingungen zur Genesung.«
Wieder versuchte er, die Qual von seinen Gedanken abzuschütteln. Dort lagen Männer, die von Holzsplittern so entsetzlich verstümmelt waren, daß sie schon längst hätten tot sein müssen. Auf dem Achterdeck waren die blutigen Verluste so hoch gewesen, daß jetzt Fähnriche, ja sogar einfache Seeleute für die Arbeiten verantwortlich waren. Als er an Bord geklettert war, hatte er den Ersten Leutnant der Fregatte angetroffen, der die Wiederaufrichtung der Besanstenge überwachte. Der Mann trug einen Arm in der Schlinge, und seine Stirn sah aus, als ob sie mit einem glühenden Eisen offengelegt worden wäre.
Graves atmete langsam aus. »Gegen solch schlechte Chancen haben sie sich gut gehalten.«
»Ja.«
Bolitho wollte seine Offiziere gern aus der Kajüte draußen haben, die Tür verriegeln und sich seine Unsicherheit nicht anmerken lassen.
»Ich habe eine Losung auf dem Schiff ausgegeben, Sir«, sagte Tyrell. »Ich glaube, unsere Leute wissen, wie zufrieden Sie . . .« Bolithos Stimme ließ ihn zurückfahren. »Zufrieden?« Er taumelte hoch. »Wenn Sie glauben, Grund zur Selbstzufriedenheit zu haben, Mr. Tyrell, dann behalten Sie das gefälligst für sich.«
Er schritt zu den Fenstern und wieder zurück. »Ich habe es selbst gesehen. In unseren Leuten steckt kein Siegesrausch. Sie sind erleichtert, nichts anderes als erleichtert. Sie sind dankbar, daß ihnen ein ähnliches Gemetzel erspart blieb, sie sind allzu eifrig bemüht, ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu übersehen.«
»Aber das ist doch etwas ungerecht, Sir«, wandte Tyrell ein.
»Glauben Sie?« Er sank am Tisch nieder. Sein Zorn erschöpfte sich. »Raven hat den Maßstab gesetzt. Er sah, was er zu sehen
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