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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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D er Unterwirt in Feldthurns konnte später niemandem mehr sagen, ob es sich bei seinem
     Gast mit eindeutiger Sicherheit um Josef Gasser gehandelt hatte oder nicht. Er erzählte, dieser junge Mann habe sich einen sauren Kalbskopf und einen
     Viertel Roten bestellt, er, der Unterwirt, habe sich das deshalb gemerkt, weil der Gast lediglich ein Glas Wein getrunken, aber den Kalbskopf überhaupt
     nicht angerührt, sondern bloß prüfend angestarrt habe, auf eine sehr auffällige und absonderliche Weise, so daß er, der Wirt, gefragt habe, ob denn etwas
     mit dem Kalbskopf sei. Der Mann habe diese Frage jedoch überhaupt nicht beachtet, sondern einen Schnaps bestellt und begonnen, seinerseits nach ganz
     verschiedenen Dingen zu fragen. Er wirkte dabei dem Wirt zufolge einerseits aufgeräumt, andererseits aber seltsam interessiert. Der Unterwirt erzählte,
     daß er im Feldthurner Kulturverein sei, daß er dort den Vorsitz innehabe, daß das Schloß Velturns eine einzigartige Sehenswürdigkeit sei, daß Feldthurns
     überdies ein Schwimmbad besitze, und er erzählte alles das allein aus dem Grund heraus, weil der Gast beim Zuhören in immer größere Begeisterung
     kam. Einmal fragte der Gast, und zwar wieder ohne jede ersichtliche Veranlassung, ob er, der Wirt, katholisch sei. Der Wirt sagte ja, natürlich sei er
     katholisch, alle hier oben seien katholisch, er, derGast, sei doch vermutlich ebenfalls katholisch, da er ja augenscheinlich auch ein
     Eisacktaler sei, und der junge Mann geriet darüber in eine geradezu enthusiastische Stimmung. Er klatschte sogar in die Hände. So ging es eine Weile, dann
     traten zwei Touristen ein, ein deutsches Ehepaar. Die Miene des Gastes verdüsterte sich. Die Touristen bestellten Speck und Wein, erzählten von ihrer
     Urlaubsroute, lobten das Land Südtirol und legten einen Reiseführer auf den Tisch. Sie fingen sofort ein Gespräch mit dem Wirt an, das den alleinigen
     Zweck hatte, zu demonstrieren, wie bewandert sie seien und welch intime Kenntnisse sie über das Land besäßen. Vor allen Dingen erzählten sie irgend etwas
     sehr Detailliertes über den Vinschgau. Der Wirt allerdings kannte den Vinschgau überhaupt nicht. Sie kennen den Vinschgau nicht? fragten die beiden
     deutschen Touristen erstaunt. Der Wirt sagte, er komme aus dem Eisacktal, nicht aus dem Vinschgau. Die beiden Touristen begannen daraufhin den Wirt über
     den Vinschgau und die insgesamten Schönheiten Südtirols zu belehren. Der besagte Gast schwieg eine Weile, saß mit immer dunklerer Miene da und starrte auf
     die Tischplatte. Dann aber begann er plötzlich selbst zu reden, allerdings sehr abwegige Dinge. Wieder geriet er beim Reden in diesen seltsamen
     Enthusiasmus … Er sagte, das Land habe eine gesunde Mentalität, besonders was Erschließungsmaßnahmen angehe, es sei nicht in dem Maße von der Regierung und von Umweltschutzmaßnahmen ruiniert wie zum Beispiel Deutschland oder Österreich,in Südtirol könne wenigstens noch gebaut werden, denn so sei es: Die Welt sei doch für die Menschen da, und also müsse sie erschlossen werden. Er sei Ingenieur. Er arbeite oben am Latzfonser Kreuz. So, am Latzfonser Kreuz, sagte der Tourist mit wisserischer Miene, obwohl er das Latzfonser Kreuz offenbar überhaupt nicht kannte. Der Wirt schaute den Gast erstaunt an, denn dort oben am Latzfonser Kreuz wurde natürlich überhaupt nichts gebaut, dort gab es lediglich Wiesen und ein Gipfelkreuz … Der Tourist meinte, Südtirols Schönheit sei allerdings auch sein Kapital, man sollte dieses Kapital nicht zerstören, sie kämen zweimal im Jahr von Münster mit dem Auto herunter, und jedesmal, wenn sie hier seien, atmeten sie auf, Südtirol sei wie ihre zweite Heimat. Man müsse die Landschaften schützen. Die Gattin des Touristen warf ein: Erschließen, aber schützen! Genau, sagte der Mann. Alles im rechten Maß. Man müsse die Landschaft erschließen, aber man müsse sie auch schützen. Wenn zu viel Industrie gebaut werde, kommen die Touristen nicht mehr. Was denn da oben an diesem Kreuz gebaut werde? Der junge Gast: Ein Elektrizitätswerk werde gebaut. Er sei der Ingenieur des Elektrizitätswerks am Latzfonser Kreuz. (Der Wirt erzählte drei Wochen später einem Journalisten des Eisacktaler Tagblatts, daß der eigenartige Gast genau das gesagt habe, in diesem Wortlaut, »Ingenieur des Elektrizitätswerks am Latzfonser Kreuz«.) Auf Strom, sagte der Tourist, könne man natürlich nicht verzichten. Die Frau: Was wäre

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