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0192 - Vorm Sterben einen Drink

0192 - Vorm Sterben einen Drink

Titel: 0192 - Vorm Sterben einen Drink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vorm Sterben einen Drink
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Ich hatte dunkle Sachen angezogen. Um den helleren Fleck meines Gesichtes auch noch halbwegs zu verstecken, hatte ich den Mantelkragen hochgestellt und den Hut tief in die Stirn gezogen.
    So tappte ich langsam den Pier entlang. Wenn ich ein Geräusch hörte, versteckte ich mich hinter einem Güterwagen der Hafenbahn oder duckte mich hinter den Betonsockel eines Turmkrans.
    Ich wußte nicht mehr genau, auf welchem Pier ich damals mit dem Sergeant gewesen war. Aber ich hätte wetten mögen, daß es ein Pier in dem Abschnitt zwischen der Cedar Street und der Chambers Street gewesen war. Also fing ich im Norden auf der Höhe der Chambers Street an und suchte in einer Nacht, als ich nicht sehr müde war, die nächsten drei Piers nach Süden hin ab.
    Ohne Ergebnis. In der nächsten Nacht hatte ich keine Zeit. In der folgenden auch nicht. Dann kam ein Wochenende. In der Nacht zum Dienstag zog ich wieder los. Das war heute. Ich nahm mir den Pier südlich der Höhe der Chambers Street vor.
    Ganz vorn standen zwei Lagerschuppen. Ich hörte Schritte, als ich mich an den oberen heranpirschte, zog vorsichtshalber mein Schießeisen und blieb wie eine Salzsäule stehen.
    Aber es war nur ein Betrunkener. Er stolperte zwei Meter von mir entfernt landeinwärts davon, ohne mich zu sehen. Ich wartete, bis er weit genug weg sein mußte, und lauschte. Das Wasser des Hudson plätscherte in eintönigem Rhythmus gegen die Kaimauern. In der Luft lag der Geruch von Wasser, stinkenden Abfällen und Öl.
    Meine Augen hatten sich allmählich an die Finsternis gewöhnt. Der Himmel war grau. Schwarz war das Wasser, aber es war ein glänzendes Schwarz. Die Lagerschuppen waren auch schwarz, aber ohne Glanz, richtig tiefschwarz. Ich tappte an einem entlang. Danach kamen Stapel von Kisten auf der linken, von Säcken auf der rechten Seite. Alle zehn Meter zog sich ein schmaler Gang zwischen ihnen hin, gerade breit genug, daß ein Mann durchgehen konnte, wenn er bescheiden war Weiter draußen stolperte ich über die Geleise der Hafenbahn. Ich kippte nach vorn. Mit der linken Schulter schlug ich gegen den stählernen Pfeiler eines Portalkrans. Der Lärm hing in der Luft wie ein Glockenton. Ich fühlte, wie sich die Haut in meinem Genick zusammenzog Ich wünschte, ich läge zu Hause in meinem Bett und träumte das ganze nur. Aber als der Schmerz nachließ, brachte ich es nicht fertig, umzukehren. Ich wollte wissen, was hier auf diesem Pier alles gespielt wurde. Ich würde ja doch keine Ruhe haben, bevor ich’s nicht wußte.
    Dann tauchte er vor mir auf. Ein verfallener Speicher. Eine verrottete, herrenlose Bude. Ein Gangsternest! Ich kniff die Augen zusammen und starrte in der Finsternis an dem Speicher hoch. Er mochte fünf Stockwerke in den Himmel ragen, und ich wußte mit einem Schlag, daß ich wieder an der richtigen Stelle war.
    Es war 1.04 Uhr als ich die Tür am Speicher gefunden hatte. Ich tastete sie mit den Fingern ab, bis ich genau wußte, daß sie nicht verschlossen war.
    Danach hielt ich das rechte Ohr dicht an den Türspalt. Die linke Hand hielt ich mir dicht vors Auge, so daß ich die Leuchtziffern und die Zeiger auf meiner Uhr erkennen konnte. Nach zwei Minuten tat mir das Kreuz von der unnatürlich vorgebeugten Haltung weh. Nach dreieinhalb Minuten schlief mir der linke Arm ein. Trotzdem hielt ich’s fünf Minuten aus. Dann wußte ich, daß hinter der Tür niemand war, der mit einer Waffe in der Hand auf mich wartete.
    Als ich drin war, kam ich mir wie ein Blinder um Mitternacht in einem Tunnel vor. Die Dunkelheit war so dick, daß man sie fast greifen konnte.
    Der Sergeant und ich waren damals geradeaus gegangen, und wir hatten uns irgendwann nach rechts gewandt. Also setze ich mich geradeaus in Bewegung.
    Ich hatte die Hände mit gespreizten Fingern nach vorn gehoben. Ich beschrieb kreisförmige Bewegungen mit den Händen und der Reihe nach abwechselnd mit den Füßen, bevor ich den nächsten Schritt machte. Auf meiner rechten Seite schienen Kisten gestapelt zu sein, denn ich fühlte die rauhe Oberfläche der Bretter, die diagonal laufenden Querleisten und in regelmäßigen Abständen die Lücke zwischen zwei Kisten.
    Der Gang nach rechts kam erst nach 14 Schritten. Weitere neun brauchte ich, bis ich die abwärts führenden Stufen mit den Füßen ertastet hatte. Langsam und vorsichtig stieg ich die Treppe hinab. 18 Stufen waren es, das hatte ich mir damals eingeprägt. Ich hatte eine Taschenlampe mitgenommen, die ich jetzt gebrauchte.

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