Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
mich gekommen?«
»Genau genommen gar nicht. Das klingt absurd, aber ... Es war so: Wir saßen in einer Besprechung, nicht der Aufsichtsrat, auch nicht die Konzernleitung, nur der kleine Kriegsrat, wie wir uns scherzhaft nennen. Und da kommt auch zur Sprache, wieso der Rechtsanwalt, der Großmann verteidigt, eine Luxusjacht ausgerechnet vom Verlierer des Prozesses kauft. Niemand hatte eine Erklärung dafür. Alle schwiegen. Plötzlich spricht die Stenotypistin, keiner kannte ihren Namen, ganz leise und beiläufig in die schweigende Runde hinein: >Da steckt die Frau dahinter.< Sie dreht verlegen ihren Kugelschreiber in der Hand, blättert im Manuskript und blickt auf ihre Schuhe. Alle sehen sie an. Einer fragt, welche Frau sie denn meine, und sie antwortet: >Na die Frau von diesem Verteidiger. Er hat den Falschen gewinnen lassen, und sie will Gerechtigkeit. Das finde ich prima in Ordnung von der Frau.<
Julia schüttelte heftig den Kopf: »Alles gut und schön, aber warum wollen Sie mich haben. Ich kann Ihnen mindestens ein halbes Dutzend hervorragender Kundschafter nennen, aus den USA, aus Kanada, Mexiko, allen voran York Yorck ...«
»Richtig, Sie haben völlig recht, diese Namen sind uns nicht fremd. Das Problem ist nur: Unsere Konkurrenz kennt diese Herrschaften auch. Sie müssen die Geschäftsfelder wechseln. Sie alle. Amerikaner, Europäer, Asiaten, alle einen Erdteil nach rechts rücken, und sofort sind sie wieder unbekannt und können frei und furchtlos agieren. Kehren Sie Europa den Rücken und kommen Sie nach Asien!«
Julia hatte ihm interessiert zugehört, aber sie wollte ihr Geschäft aufgeben. Sie sah sich schon mit untergeschlagenen Beinen auf ihrer Liege sitzen und die Fingernägel maniküren. Ein Schreck durchzuckte sie: Die Nagelfeile ihrer Großmutter. Nicht auszudenken, wenn ein anderer als Rex sie hinter dem Schrank gefunden hätte. Ein Beweisstück zurückzulassen, war ein unverzeihlicher Fehler. Sie musste aufgeben, sie war nicht mehr fit genug für dieses Geschäft. Achmed bemühte sich umsonst. Zu spät.
Er ahnte nichts von ihren Gedanken, fühlte sich nahe am Ziel und fuhr fort: »Sie werden einsehen, wir brauchen jemanden, der bei uns völlig unbekannt ist. Am besten eine Frau. Eine wunderschöne Frau, die ihren Mann abgöttisch liebt, sein Geld mit vollen Händen ausgibt und - verzeihen Sie - ein bisschen unbedarft daherplappert. Können Sie mir jemanden nennen, der das alles so souverän beherrscht wie Sie?«
Julia suchte mit den Blicken die Wände ab. Zentimeter für Zentimeter, die Bilder mit den dicken Rahmen, jede Falte in dem Vorhang. Der Koreaner mit dem ägyptischen Namen sah sie an, er fand sie tatsächlich wunderschön. Als er ihren spähenden Blick bemerkte, nickte er und sagte: »Alles abgesucht. Seien Sie versichert: Hier ist kein Minispion versteckt.«
»Warum sollte ich Ihnen helfen?«
Er war sich sicher: Mit Geld war sie nicht zu locken. Wenigstens jetzt durfte er noch nicht damit kommen.
»Den ersten Grund hatte ich Ihnen bereits genannt: Europa wird zu heiß für Sie.«
»Ich höre einfach auf, nehme keine Aufträge mehr an.«
Achmed ignorierte ihren Einwand und fuhr fort: »Zweitens: Zwanzigtausend Arbeiter verlieren ihren Job, wenn Sie uns nicht helfen. Fünfzehntausend davon sind verheiratet. Zählen wir Ehefrauen und Kinder dazu, dann stürzen achtzigtausend unschuldige Menschen ins Elend.«
»Und wenn nicht ihre Werft, sondern ihre Konkurrenz untergeht, dann stürzen achtzigtausend andere Unschuldige ins Elend. Bis jetzt haben Sie mich noch nicht überzeugt.«
Immerhin, sie hörte zu. Nur nichts überstürzen. Asiatische Ruhe bewahren.
»Vielleicht wollen wir uns nur zurückholen, was uns gestohlen wurde. Vielleicht sind wir Friedanger und die anderen heißen Großmann.«
Julia nippte an ihrem Glas. Sie sah den Ägypter, den eine koreanische oder vietnamesische Werft losgeschickt hatte, sie zu engagieren, lange an. Reizen würde sie der Auftrag schon. Das Land kannte sie noch nicht, weder das eine noch das andere. Sie sah sich in einem Polsterstuhl mit hoher Rückenlehne sitzen, an einem Mahagonitisch, an dem fünf Männer ehrfürchtig ihrer Strategie lauschten.
»Ich habe meinem Freund und Vater Rex Palmer geschworen, mit all dem aufzuhören.«
»Ja, das ist das einzige Problem, das wirklich wichtige Problem. Das können wir nur mit Ihnen lösen. Wir haben selbstverständlich eine Anzahl Vorschläge ausgearbeitet, die wir Ihnen gern unterbreiten
Weitere Kostenlose Bücher