Knall auf Fall
leeren Wohnzimmer stehen. Es sah hier kaum anders aus als im Stockwerk darüber, abgesehen von der Tatsache, dass alles sauber war. “Aber hier ist es so leer.”
“Ich bin auch gerade erst eingezogen und lebe vorerst nur im Schlafzimmer. Den Rest habe ich mir für diese Woche vorgenommen.”
“Das Haus gehört Ihnen?”
Taylor strich mit einem beigefarbenen Schuh über den polierten Holzfußboden. Dieser eine Schuh war sicher teurer als Suzannes gesamte Garderobe. “Ja. Seit Kurzem.”
“Verzeihen Sie meine Offenheit, aber Sie sehen doch aus wie aus dem Ei gepellt. Sie wirken so elegant und vornehm, aber ich habe den Eindruck, als hätten Sie im Moment genauso wenig Geld wie ich.”
Seufzend lockerte Taylor die Schultern. “Wie habe ich mich verraten? Weil ich kein Geld für die Pflege der Bäume ausgeben wollte?”
“Sagen wir mal, ein Verzweifelter erkennt einen anderen sofort.”
Taylor musste lachen. “Sie gefallen mir. Also schön, hier kommt die bittere Wahrheit: Ich bin mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren, habe die besten Schulen besucht, war auf der Brown University, und das alles dank des Schweizer Bankkontos meines Urgroßvaters. Nach dem Studium habe ich ganz Europa bereist. Nur so zum Spaß.”
Suzanne sah sie stirnrunzelnd an. “Dafür bekommen Sie von mir kein Mitleid.”
“Ich weiß, das will ich auch gar nicht.” Taylor hob beschwichtigend die Hände. “Ich gebe zu, dass ich hoffnungslos verwöhnt war. Ich habe keinen einzigen Tag in meinem Leben richtig gearbeitet und musste mir trotzdem niemals Sorgen machen. Dann ist mein Urgroßvater, den ich nur alle paar Jahre mal gesehen habe, gestorben.”
“Wie unangenehm.”
“Aber er hat mir dieses Haus vermacht.”
“Ein Grundstück in bester Lage. Es muss ein Vermögen wert sein.”
“Vorausgesetzt, man steckt vorher ein kleines Vermögen hinein.” Taylor verzog das Gesicht. “Leider hat er mir keinerlei Bargeld hinterlassen. Ersparnisse habe ich ebenso wenig wie einen Job. Also bin ich pleite.”
“Abgesehen von dem Haus.”
“Genau”, stimmte Taylor ihr zu. “Deshalb brauche ich Mieter, denn sonst habe ich nichts zu essen. Sobald die Einnahmen da sind, werde ich mit dem Renovieren anfangen, das verspreche ich Ihnen. Wenn Sie mir dabei helfen möchten, brauchen Sie weniger Miete zu zahlen. Na, wollen Sie das Apartment noch immer?”
Auch als Tochter eines Lebenskünstlers hatte Suzanne gelernt, ihren Verstand zu gebrauchen. “Wieso verkaufen Sie nicht einfach?”
Sofort schüttelte Taylor entschieden den Kopf. “Gleich vor der ersten Herausforderung kneifen? Niemals.”
Suzanne musste lächeln, und ihr wurde bewusst, dass es ihr erstes richtiges Lächeln war, seit sie ihre gesamte Habe im Treppenhaus vor der verschlossenen Tür vorgefunden hatte. “Sie gefallen mir auch.”
Langsam erwiderte Taylor das Lächeln. “Freut mich.” Es klang erleichtert. “Hier sind die Mietverträge. Sie ziehen allein ein, stimmt’s?”
“Ja, das stimmt. Ich habe beschlossen, von heute an als Single zu leben.”
“Schön, dann haben wir ja noch etwas gemeinsam.”
“Mir ist es ernst. Ich bin verflucht, was Beziehungen angeht.”
Taylor lachte, doch als sie Suzannes entschlossene Miene sah, wurde sie schlagartig wieder ernst. “Sie … Sie meinen es wirklich.”
Wie zum Schwur hob Suzanne eine Hand. “Wie groß die Versuchung auch immer sein mag, ich werde ihr widerstehen.”
“Einverstanden, da mache ich mit. So groß die Versuchung auch sein mag. Selbst wenn der Kerl auf Bäume klettert und einen Hintern hat, bei dessen Anblick mir die Knie zittern.”
Jetzt musste Suzanne lachen. “Selbst dann”, sagte sie, griff nach dem Stift und unterschrieb den Vertrag.
“Auf uns.” Taylor betastete ihre kunstvolle Frisur und tat mit der anderen Hand so, als höbe sie prostend ein Glas. “Und auf unsere Zukunft. Wir werden es beide schaffen. Auch ohne Männer. Sobald ich es mir leisten kann, kaufe ich uns Champagner, und dann stoßen wir richtig an.”
“Auf uns”, bekräftigte Suzanne. “Alles Gute, Taylor. Viel Glück.”
“Für dich auch, Suzanne.”
Suzanne blickte zur Decke und dachte an ihr neues Apartment. Glück konnte sie jetzt wirklich gebrauchen.
2. KAPITEL
Ryan Alondo beugte sich vor und stützte sich mit beiden Händen an der Duschkabine ab, damit ihm das heiße Wasser über den Rücken laufen konnte. Er hoffte nur, dass er nicht einschlief, während er so dastand, bis das
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