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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Sutton eine Schmusekatze.
    Klar, sagt der
Newsday
-Reporter, ein echter Pazifist. Der Gandhi der Gangster.
    Die vielen Banken, sagt der Fernsehreporter, die vielen Gefängnisse, und der Junge hat nie einen Schuss abgefeuert. Hat nie einer Fliege was zuleide getan.
    Der Fernsehreporter geht dem
Newsday
-Reporter langsam auf die Nerven. Und was ist mit Arnold Schuster?, fragt er.
    Ach, sagt der Fernsehreporter, mit Schuster hat Sutton nichts zu tun.
    Sagt wer?
    Ich.
    Und wer verdammt bist du?
    Ich sag dir, wer ich nicht bin – ich bin kein ausgebrannter Schmierfink. Der
Times
-Reporter stellt sich zwischen die beiden. Ihr werdet euch doch wohl nicht darum prügeln, ob jemand gewaltlos ist oder nicht – an Weihnachten.
    Warum nicht?
    Weil ich dann drüber schreiben muss.
    Die Unterhaltung schwenkt wieder zum Gefängnisdirektor. Ist dem Mann denn nicht klar, dass es jetzt fast minus 18  Grad hat? Oh, und ob ihm das klar ist. Der liebt das. Der ist auf dem Machttrip. Heutzutage sind alle auf dem Machttrip. Mailer, Nixon, Manson, der Zodiac-Killer, die Cops – wir haben 1969 , Mann, das Jahr des Machttrips. Wahrscheinlich beobachtet er sie gerade jetzt auf seiner Videoüberwachungsanlage, süffelt einen Brandy und lacht sich schlapp. Es reicht schon, dass sie in diesem gewaltigen Clusterfuck sitzen, aber müssen sie auch noch die Gelackmeierten eines kryptofaschistischen Machoidioten sein?
    Ihr dürft gern in meinen Wagen, sagt der Fernsehreporter. Da ist es warm, und ihr könnt fernsehen. Gerade läuft
Flying Nun
.
    Allgemeines Stöhnen.
     
    Sutton liegt auf seiner Pritsche und wartet. Um sieben erscheint Rechter Wärter an der Tür.
    Tut mir leid, Sutton. Wird doch nichts.
    Sir?
    Linker Wärter erscheint hinter seinem Kollegen. Eben ist die neue Anweisung vom Vize gekommen, er sagt nein – Fehlanzeige.
    Fehlanzeige? Warum?
    Warum
was
?
    Warum,
Sir
?
    Rechter Wärter zuckt die Schultern. Irgendein Streit zwischen Rockefeller und der Begnadigungskommission. Sie können sich nicht einigen, wer die Verantwortung übernimmt oder wie die Pressemitteilung formuliert werden soll.
    Dann werde ich nicht …?
    Nein.
    Sutton betrachtet die Wände, die Gitter. Seine Handgelenke. Die violetten Adern, aufgeblasen und wurmartig. Er hätte es tun sollen, als er dazu die Gelegenheit hatte.
    Rechter Wärter fängt an zu lachen. Linker Wärter ebenfalls. War nur Spaß, Sutton. Auf die Beine.
    Sie sperren die Tür auf und führen ihn zum Schneider. Er legt die graue Gefängniskluft ab und zieht ein frisch gestärktes weißes Hemd an, eine neue blaue Krawatte, einen neuen schwarzen Anzug mit zweireihig geknöpfter Jacke. Dann die neuen schwarzen Socken und die neuen schwarzen Budapester. Er dreht sich zum Spiegel. Jetzt ist sie wieder da, die alte Verwegenheit.
    Er sieht Schneider an. Wie seh ich aus?
    Schneider klimpert mit seinen Münzen und Knöpfen, dann hält er den Daumen hoch.
    Sutton wendet sich den Wärtern zu. Nichts.
    Rechter Wärter führt Sutton allein durch den Times Square, dann an der Verwaltung vorbei in Richtung Hauptportal. Gott, ist das kalt. Sutton presst die Einkaufstüte mit seinen Habseligkeiten an die Brust und ignoriert den krampfartigen, brennenden Schmerz in seinem Bein. Die Arterie wird durch ein Plastikröhrchen offen gehalten, und er spürt, dass sie bald zusammenklappen wird wie ein Strohhalm.
    Du musst operiert werden, hatte der Arzt nach dem Einbringen des Stents vor zwei Jahren gesagt.
    Wenn ich mit der Operation warte, verliere ich dann mein Bein, Doc?
    Nein, Willie, dann verlierst du nicht dein Bein, dann stirbst du.
    Aber Sutton wollte warten. Er wollte nicht, dass ein Gefängnisarzt an ihm herumschnippelt. Einem Gefängnisarzt würde er nicht mal zutrauen, ein Konto zu eröffnen. Und wie es aussieht, war es die richtige Entscheidung. Vielleicht kann er die Operation in einem normalen Krankenhaus durchführen lassen und sie vom Erlös seines Romans bezahlen. Vorausgesetzt, jemand veröffentlicht ihn. Vorausgesetzt, ihm bleibt noch die Zeit dazu. Vorausgesetzt, er steht diese Nacht, diesen Augenblick durch. Und morgen.
    Rechter Wärter führt Sutton um einen Metalldetektor, um einen Anmeldetisch und zu einer schwarzen Metalltür. Rechter Wärter sperrt sie auf. Sutton tritt vor. Er dreht sich zu Rechtem Wärter um, der ihn siebzehn Jahre lang herabgesetzt und schikaniert hat. Er hat Suttons Briefe zensiert, seine Bücher beschlagnahmt, seine Gesuche um Seife, Stifte und Toilettenpapier

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