König 01 - Königsmörder
und zuckte zusammen. »Aber das ist verboten. Ihr seid der Hauptmann der Stadt. Wie konntet Ihr zustimmen…?« »Hauptmänner geben keine Zustimmung«, erwiderte er. »Ebenso wenig wie sie Einwände erheben.« Nicht, wenn ein König befiehlt. Selbst wenn ihnen ihr Gewissen zusetzt. Selbst wenn sie ernsthafte Zweifel hatten. Und sprach da die Pflicht aus ihm oder die Feigheit? Eine unbequeme Frage, von der er sich nicht sicher war, wie er sie beantworten sollte. »Sagt ihm, was Ihr wisst, Matt. Macht all diesem Elend ein Ende.«
»Ich habe es bereits gesagt«, erwiderte Matt und schloss die Augen. »Ich weiß nichts.«
Nun, wenn der Stallmeister die Wahrheit sagte, hatte er gewiss nichts zu befürchten, Magie hin, Magie her. Und wenn der Mann log, würde der König die Wahrheit bald enthüllen. So oder so, die Sache lag nicht mehr in seinen Händen. Er war erschöpft und hungrig und musste dringend einige Stunden daheim verbringen.
Das Wachhaus war verlassen bis auf Bunder, der vorne am Empfang Dienst tat, und den jungen Jesip, der Berichte schrieb. Alle anderen Männer, ob sie nun aktiven Dienst taten oder aufgrund besonderer Umstände abberufen worden waren, gingen in der Stadt Streife, um nach dem Tumult der vergangenen Nacht die Ordnung aufrechtzuerhalten und alle Gaffer in ihre Häuser zurückzuschi– cken. Er schickte Jesip nach hinten, damit er den Gefangenen im Auge behielt, und richtete das Wort an den stoischen Bunder.
»Ich gehe für eine Weile nach Hause. Seid wachsam und lasst nach mir schicken, falls es neuerlichen Ärger geben sollte.«
Als er hinaustrat, sah er, dass der Tag schön zu werden versprach. Am Rand des Horizonts waren zarte, rosafarbene Streifen zu erkennen. Er unterdrückte ein Gähnen und wandte sich dem kleinen Tor zu, das in die Gasse führte… und wurde von den Schatten, die das Wachhaus warf, angesprochen.
»Hauptmann Orrick! Hauptmann Orrick, auf ein Wort!«
Er kannte diese flüsternde Stimme. Es war der Sekretär des Prinzen. Darran. Ein guter Mann, wenn auch ein wenig umständlich. »Herr?«, fragte Orrick und trat näher. »Stimmt etwas nicht? Kommt heraus ins Licht, wo ich Euch sehen kann.« Der alte Mann rührte sich nicht von der Stelle. »Hauptmann Orrick, liebt Ihr dieses Königreich?«
Und was für eine Art Frage war das? Er runzelte gereizt die Stirn. »Meister Sekretär, es war eine lange Nacht, und ich bin nicht in Stimmung für Spielchen. Sagt, was Ihr zu sagen habt, oder geht Eures Weges. Es ist ein Vergehen, auf dem Grundstück des Wachhauses herumzulungern.«
Der alte Mann kam zentimeterweise aus dem Schatten hervor, bis sein Gesicht gerade eben erkennbar war. Er blickte nervös nach rechts und links, als suche er nach Lauschern. »Hauptmann, wir müssen unter vier Augen reden. Werdet Ihr mitkommen?«
»Mitkommen wohin? Und warum? Worüber wollt Ihr sprechen?« Darran trat ein klein wenig weiter vor. Er wirkte erschöpft. Verängstigt. »Das kann ich nicht sagen, Hauptmann. Nicht hier. Bitte, ich flehe Euch an. Kommt. Im Namen unseres geliebten Königs Borne.«
Dieser Name brachte ihn zum Schweigen. Er sah sich den alten Sekretär genauer an und erkannte Aufrichtigkeit und Verzweiflung. »Ich war auf dem Weg nach Hause«, brummte er. »Ich tue jetzt schon seit sehr langer Zeit Dienst, Herr.« »Das weiß ich«, antwortete Darran. »Ich würde nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre.«
Er seufzte. »Wie wichtig?«
»Eine Frage von Leben oder Tod«, sagte der alte Mann. »Für uns alle.« Er hielt ihm einen zusammengefalteten Umhang hin. »Dies hier solltet Ihr tragen. Zieht die Kapuze tief über Euer Gesicht. Man darf Euch nicht erkennen.« Orrick nahm den Umhang entgegen und legte ihn sich über, während der alte Mann die Kapuze seines eigenen Umhangs über seinen grauen Kopf zog. »Wenn dies nicht dringend ist, sondern ein Trick oder, schlimmer noch, irgendeine gesetzlose…«
»Kommt mit mir, Hauptmann«, sagte Darran, »und findet es selbst heraus.« Mit einem Stöhnen schloss Orrick sich ihm an.
Er war nicht überrascht festzustellen, dass der Sekretär ihn zu Prinz Gar führte. Die Wahl des Treffpunkts war schon eher unerwartet: Die Familienkrypta des Hauses Torvig. Kühl und voller Kerzen. Und Leichen.
Der Prinz sah so aus, als hätte er lange nicht geschlafen. Die Schnittwunde auf seinen Wangenknochen war verschorft, das Fleisch darum herum verfärbt und aufgedunsen. »Danke, dass Ihr hergekommen seid, Hauptmann. Pellen. Darf ich Euch
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