0395 - Ich liebte eine Voodoo-Queen
Mit einem solchen Empfang hatte ich nicht gerechnet, aber ich lächelte etwas verlegen zurück und sagte brav meinen Spruch auf.
»Mein Name ist John Sinclair. Mr. Bhuwani erwartet mich.«
Er hörte sich die Worte an. In seinem Gesicht regte sich nichts.
Nur einmal verengte er kurz die Augen, so daß ich von seinen dunklen Pupillen nichts mehr sah. Aber Anstalten, zur Seite zu treten und damit den Weg freizugeben, machte er nicht.
Bei einer Prügelei mit ihm wäre ich wahrscheinlich nicht über die erste Runde hinausgekommen. Zur Seite würde ich ihn auch kaum schieben können, denn erst jetzt sah ich, daß er auch bewaffnet war.
Er trug ein Schwert. Der Waffengriff schaute über seine linke Schulter hinweg, so daß sich die Scheide auf seinem muskelbepackten Rücken befinden mußte. Durch einen schräglaufenden Lederriemen wurde sie über der Brust gehalten.
Als ich meinen Wunsch wiederholen wollte, erbarmte er sich endlich und gab den Weg frei. »Geh rein!« Er besaß eine Stimme, die mich an das Grollen eines Gewitters erinnerte.
»Danke.« Ich schlich an ihm vorbei in den düsteren Flur und hatte das Gefühl, zu meiner eigenen Hinrichtung zu gehen oder eine andere Welt zu betreten, dabei befand ich mich noch mitten in London.
Rechts und links waren die Wände mit Bastmatten tapeziert worden. Fetische und böse blickende Masken schmückten sie. Ich kam mir vor wie in einer finsteren Voodoo-Halle, und es fehlte eigentlich nur noch das Schlagen der Trommeln.
Hinter mir fiel die Tür ins Schloß. Der dumpf klingende Knall ließ mich herumfahren. Ich schaute nicht allein auf die geschlossene Tür, sondern auch auf den Hünen, der sich mit verschränkten Armen davor aufgebaut hatte und so aussah, als wollte er mich nie mehr aus dem Haus lassen. Das Gefühl, in einer Falle zu stecken, verstärkte sich.
Wahrscheinlich bildete ich mir dies auch ein, denn Mr. Bhuwani war in seiner Heimat ein angesehener Diplomat, den es zu einem kurzen Besuch nach London gezogen hatte.
Den Grund für seine Unterhaltung mit mir kannte ich nicht. Jedenfalls konnte man das Treffen als geheim bezeichnen, denn die Verabredung war über diplomatische Kanäle erfolgt, wobei man meinen Chef, Sir James Powell, ebenfalls eingeschaltet hatte.
Da man mir nicht gesagt hatte, wo ich hingehen sollte, drehte ich mich wieder um und schlenderte weiter, bis ich hinter mir das Tappen nackter Füße vernahm und mich zwischen zwei Masken gegen die Wand drückte, um den Riesen vorbeizulassen.
Er passierte mich und hätte mich fast noch mit der Schulter gestreift.
»Mir nach!«
Ich grinste hinter seinem breiten Rücken her. »Aber gern!«
Er bewegte sich trotz seiner Größe geschmeidig. Kaum ein Laut war zu hören. Das Tappen der Füße vorhin war für mich sicherlich als eine Warnung gedacht gewesen, um ihm Platz zu schaffen.
Wieder fragte ich mich, aus welchem Stall der Knabe wohl geholt worden war, und ich ertappte mich auch bei der Vorstellung, wie es wohl aussehen würde, wenn Suko gegen ihn antrat.
Ob Suko diesen Typ schaffte, war noch fraglich.
Der Riese schob sich an einer Kommode vorbei, hinter der der Gang einen Knick nach links machte. Dort begann eine nach oben führende Treppe aus schwarzem Holz. Sie war sehr breit und hätte auch zu einer Galerie gepaßt.
Kübel mit exotischen Gewächsen standen auf den Stufen verteilt.
Trotzdem war noch so viel Platz, daß wir uns bequem vorbeischieben konnten. Durch die Fenster eines Lichthofes fiel Tageslicht auf die Treppe.
Ich stiefelte hinter dem Kerl her, wurde von den Blättern und Zweigen der Gewächse gestreift und konnte abermals das Spiel der Muskeln meines Vordermannes bewundern.
Der Empfangschef hatte die Treppe schon hinter sich gelassen, während ich noch einige Stufen zu gehen hatte, als ich eine Stimme vernahm. »Es ist gut, Oganda, du kannst dich zurückziehen.«
Zum Glück!
Ich legte den Rest des Weges zurück und wurde vor seiner Bürotür von einem Mann erwartet, dessen perlmuttfarbener Maßanzug mir ebenso auffiel wie das graue Kraushaar und die weiße Brille mit den getönten Gläsern.
»Willkommen, Mr. Sinclair«, sagte der Mann. Er streckte mir beide Hände entgegen, die ich ergriff. »Mein Name ist Bhuwani. Ich hatte Sie zu mir gebeten.«
»Ja, man sagte es mir.«
»Bitte, folgen Sie mir in mein Büro. Da plaudert es sich besser.«
Die Büroeinrichtung war dunkel, ohne bedrückend zu wirken, weil die Wände einen sehr hellen Anstrich zeigten und auch der
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