Königliche Republik (German Edition)
seine Stirn auf ihre Schulter. „Hat er dich
geärgert?“
„Ja.“
Am liebsten hätte sie ihrem Zorn freien Lauf gelassen und mit
dem Fuß aufgestampft; schon zuckten ihre Muskeln. „Er
scheint zu glauben ... Er zweifelt an meiner Erfahrung.“
Dario
lachte unfroh. „Wenn du sie hättest, wärest du
untragbar als Braut eines spanischen Granden.“
Sie
nahm seine Hand. „Lassen wir uns etwas zu trinken geben.“
Als
sie an einem der Fenster vorbeigingen, blickte Mirella hinaus. In der
beginnenden Dämmerung leuchteten die ersten Fackeln in der
Gasse, die zur Basilica del Carmine führte. „Er
sprach vom Aufruhr. Und von der Inquisition.“
„Die
Inquisition brauchen wir nicht zu fürchten. Die hält uns
der Erzbischof vom Hals.“
Sie
starrte noch immer hinunter auf den Largo. „Wenn ich mir
vorstelle ...“
„In
Neapel wird kein Scheiterhaufen mehr brennen. Darin ist Filomarino
sich mit dem Heiligen Stuhl einig, glaub mir.“ Er wandte sich
ab und sah sich suchend um. „Wir erschlagen unsere Feinde.“
„Wir
haben doch gar keine.“
„Doch.“
Dario deutete nach draußen. „Der Pöbel kennt kein
Gesetz. Und in einem rechtlosen Zustand verlieren wir alle.“ Er
griff nach ihrer Hand und zog sie weiter zum nächsten Saal.
Auf
langen Tischen war das Büfett aufgebaut – Pasteten und
Geflügel vor allem und üppige Mengen an spanischem
Zuckergebäck; dazu spanischer Süßwein, der in Mode
gekommene prickelnde Blanquette de Limoux und der rote Anglianico aus der Basilikata, den der Vizekönig zu
seinem Hauswein erkoren hatte.
„Aber
das stimmt doch gar nicht. Sie wollen bloß weniger Steuern
zahlen und die alten Privilegien zurück.“
„Und
das Gemetzel der letzten Tage? Glaub mir, es ist noch nicht zu Ende.“
Dario wies zurück zum Thron des Vizekönigs am Ende des
anderen Saals. „Hast du sie nicht gehört während des
Trauerzugs? Ich fürchte, Don Rodrigo hat einen großen
Fehler gemacht.“
Er
ließ sich von einem der Lakaien ein Glas Blanquette reichen. Als auch Mirella ihre Hand ausstreckte, hielt er sie fest.
„Alkohol ist nichts für kleine Mädchen.“
„Ich
bin bald verheiratet.“
„Aber
noch nicht einmal fünfzehn.“
Sie
blitzte ihn an und hob die Brust zu einer zornigen Entgegnung.
Dario
lachte amüsiert. „Geb Er der künftigen Herzogin de
Toledo d’Altamira y Léon auch ein halbes Glas davon.“
Der
Lakai beeilte sich einzuschenken und Mirella prostete Dario mit einer
beschwingten Drehung zu. „Übers Jahr trinke ich so viel
ich will.“
„Das
möge Felipe verhüten. Du bist schon jetzt außer Rand
und Band.“
Mirella
trank in zwei Schlucken aus und gab das Glas zurück. „Lass
uns tanzen. Wenn du recht haben solltest, mag dies der letzte Ball
für lange Zeit ...“
„Eigentlich
...“
„Nun
komm! Mit Stefania kannst du noch oft genug tanzen.“
Seufzend
folgte er ihr, aber dann wurde er von einem älteren Mann
angehalten, dessen taubenblaue Jacke sich zum Platzen über
seinem Bauch spannte. „Scandore, kann ich mit Ihm reden?“
Dario
blickte zwischen Mirella und ihm hin und her. „Besser nicht
jetzt.“
Der
Mann musterte Mirella mit zusammengekniffenen Augen. „Ich
verstehe.“ Mit einer Kopfbewegung, die ein Gruß genauso
gut wie ein Wink für Dario sein konnte, ging er weiter.
„Der
ist nicht von hier. Wer war das?“
„Einer
von Vaters Kunden, wer sonst?“
Mirella
drehte sich um und betrachtete ihn ungeniert genauer. „Er hat
viel Geld.“
Dario
zuckte die Achseln. „Er liebt es, mit dem Familienschmuck zu
protzen.“
„Dann
sind die zehn Ringe an seinen Fingern vermutlich alle, die er
besitzt.“ Sie kicherte.
„Du
bist jetzt schon betrunken.“
Statt
wieder mit ihr zu tanzen, wie sie erwartet hatte, brachte er sie zu
Enzo zurück. „Ich habe jemanden getroffen ...“
Mirella
zog einen Flunsch. „Dies ist ein Fest, kein Kontor.“
„Ich
habe ihr erlaubt, einen Schluck zu trinken.“ Er hielt den Kopf
schräg. „Es tut mir leid, Vater.“
Enzo
klopfte ihm auf die Schulter. „Du kannst sie nicht ewig von
allem fern halten.“
„Ich
bin auch nicht ewig die kleine Schwester.“
Grinsend
zog Dario sie an einer ihrer losen Strähnen. „Was denn?
Die große?“
Alle
drei lachten.
„Hättest
du denn gerne eine große Schwester?“
Dario
schüttelte den Kopf. „Mirella ist schon richtig, so wie
sie ist.“ Zielstrebig ging er davon; er wusste offensichtlich,
wo der Taubenblaue ihn erwartete.
„Geh
tanzen, mein Kind.
Weitere Kostenlose Bücher