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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Barbin wieder, war es um die Vormachtstellung des Prälaten
     in Marias Rat geschehen: Barbin hätte den Vorteil eines Altgedienten und des langjährigen Vertrauens auf seiner Seite, das
     die Königin zu ihm hegte.
    Richelieus Besorgnisse waren von kurzer Dauer: Der König bewahrte seine steinerne Reglosigkeit, blickte der Königin entschlossen
     in die Augen und antwortete mit keiner Silbe. Besser konnte man ihr nicht bedeuten, daß alles, was sie ihrer auswendig gelernten
     Rede etwa noch hinzufügen mochte, unbeachtet bleiben würde. Jedes andere Gottesgeschöpf, ob Mann oder Frau, hätte sich das
     gesagt sein lassen, aber nicht Maria! Und zum erstenmal empfand ich einiges Mitgefühl mit ihr: sie kam mir vor wie eine dicke
     Hummel, die hundertmal gegen dieselbe Fensterscheibe stößt.
    »Verweigert mir doch diese einzige Bitte nicht!« sagte sie.
    Der König, den Blick fest auf sie gerichtet, schwieg. Da ging seine Mutter ein drittes Mal und ohne Rücksicht darauf, wie
     lächerlich sie sich mit ihrem blinden Beharren machte, zum Sturm über und setzte mit der Emphase einer Tragödin hinzu, die
     mich ungemein peinlich anmutete: »Vielleicht ist dies die letzte Bitte, die ich in meinem Leben an Euch richte!«
    Diese so unangemessene Theatralik rief bei den Anwesenden einiges Unbehagen hervor, denn es war zu offensichtlich, daß Maria
     sich vergeblich erniedrigte und daß auch diese dritte Woge sich an der Unbeweglichkeit und dem Schweigen des Königs brechen
     würde. Denn da er ihr jede Macht genommen hatte und sie in die Provinz schickte, welchen Einflusses auf ihn konnte sie sich
     nun noch schmeicheln, wenn sie hoffte, er |475| werde eine so grundsätzliche politische Entscheidung wie die Verurteilung Barbins rückgängig machen?
    Obwohl Ludwigs Unbeweglichkeit vollkommen war, lag in dem Blick, den er an Maria heftete, weder Mißachtung noch Gereiztheit,
     sondern nur verbindliche Geduld, so als sei das Gespräch von seiner Seite beendet und er warte höflich darauf, daß sie Urlaub
     nehme.
    Endlich begriff Maria, und ohne Bitten, Emphase und Tragödie sagte sie in dem gewöhnlichsten Ton: »Also, los!«
    Und indem sie auf den König zuging, tat sie etwas Erstaunlicheres, als es alle ihre vorherigen Worte waren: sie küßte ihn.
     Ludwig erbebte, wich rasch zurück, und nach einer tiefen Verbeugung vor seiner Mutter wandte er sich um zur Tür. Jedoch ging
     er nicht hinaus, sondern wartete, bis sein Gefolge von der Königin Abschied genommen hatte. Was wir einer nach dem anderen
     taten, wie es das Protokoll befahl. Aber als Luynes an die Reihe kam, faßte ihn die Königin am Arm und bat ihn leise aufs
     dringlichste, bei seinem Herrn für die Freilassung Barbins einzutreten. Ludwig erriet ihr Beharren, er wandte sich halb um,
     und mit einer Stimme, aus der die Erbitterung klang, die er während dieser ganzen Szene bezwungen hatte, rief er seinen Favoriten:
     »Luynes! Luynes! Luynes!«
    So viele Jahre später klingt mir noch immer dieser Ruf im Ohr, und ich weiß nicht, warum er mir vor Augen führt, was vorher
     geschah: dieser so fehlgegangene, so fehlempfangene Kuß zwischen Mutter und Sohn – der erste und letzte, den sie ihm jemals
     gab.
    Luynes, der nicht anders konnte, als zu jedermann liebenswürdig zu sein, hatte der Königin versprochen, mit dem König über
     Barbin zu reden, obwohl er von vornherein entschlossen war, es nicht zu tun. Und was sie angeht, hatte sie zum viertenmal
     nach ihrem Intendanten verlangt und war nur wieder an dieselbe Scheibe gestoßen.
    Der ungeduldige und wiederholte Ruf des Königs – »Luynes! Luynes! Luynes!« – riß den Favoriten aus der Hand der Königin, als
     zöge eine unsichtbare Leine ihn jäh zu seinem Herrn.
    Sie blieb allein und fassungslos. Ohne Barbin an Concinis Stelle sah sie keinen Weg vor sich, sie war so konfus im Kopf, und
     sie fühlte sich so schwach trotz ihrer Härte. Sie lehnte sich an die Wand zwischen den Fenstern und begann zu schluchzen, |476| während Richelieu, der sich zu ihr beugte, ihr fromme Tröstungen ins Ohr raunte. Doch so entschlossen er auch war, ihr zu
     dienen – oder gegebenenfalls nicht zu dienen –, er hatte noch keine Muße gehabt, seinen Einfluß auf sie zu festigen, und sie
     lauschte ihm nur halb.
    Ich hatte mich verweilt, um dieses sonderbare Paar zu betrachten, und mußte nun große Schritte machen, sogar ein wenig laufen,
     um das Gefolge des Königs einzuholen. Ich erreichte es, als man die Wohnung Annas

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