Königskind
und seiner Kompanie
befohlen, Euch zu begleiten. Ihr erhaltet weitere Nachricht von mir, sowie Ihr in Blois eingetroffen seid.«
Wieder machte er eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Geht mit Gott, Madame, liebt mich, und ich werde Euch ein guter Sohn
sein.«
Für mein Empfinden war von seiner ganzen kleinen Ansprache dieser letzte Satz der verwunderlichste, denn dieses: »Liebt mich«
war eine Bitte, die, wie er wußte, nie erfüllt werden würde, und dieses: »Ich werde Euch ein guter Sohn sein« ein Versprechen,
das er, weil er seine Mutter kannte, niemals würde halten können.
Nun war es an Maria, ihm zu antworten, und Ludwig sah sie mit einer Spur Unruhe an, denn sie hatte die Augen voller Tränen
und knetete fiebrig ihr Spitzentuch, so daß er sich fragen mußte, ob sie in ihrer Bewegung ihren Text nicht vergessen oder
ändern werde. Und wirklich mußte er bei ihrem ersten Wort das Schlimmste befürchten, denn anstatt der in ihrem Text vorgesehenen
Anrede, ›mein Sohn‹ oder strengstenfalls ›Sire‹, sprach sie ihn mit ›Monsieur‹ an.
»Monsieur«, sagte sie mit zitternder Stimme, »ich bin sehr betrübt, Euren Staat in meiner Regentschaft nicht zu Eurer größeren
Zufriedenheit geführt zu haben, gleichwohl versichere ich Euch, daß ich alle mir mögliche Mühe und Sorge daran gewandt habe,
und ich bitte Euch, mich immer als Eure |473| sehr ergebene und sehr gehorsame Mutter und Dienerin zu betrachten.«
Ließ man diese »sehr ergebene und sehr gehorsame Mutter und Dienerin«, eine rein protokollarische Floskel, außer Betracht,
erschien mir der von Ludwig seiner Mutter vorgeschriebene Text von einer gewissen Noblesse geprägt. Er untersagte es sich,
seine Mutter anzuklagen: er warf ihr weder die unvernünftige Plünderung des Staatsschatzes vor noch ihre Politik der Schwäche
gegenüber den Großen, noch die Mißachtung, die sie ihm bezeigt hatte, noch ihre Unterstützung eines Usurpators, der seine
Freiheit und sein Leben bedroht hatte. Während er diese schweren Vorwürfe also mit Schweigen überging, beschränkte er sich
auf die Feststellung, daß sie nicht »zu seiner Zufriedenheit« regiert, aber ihr Bestes getan habe. Das bewies höchstes Entgegenkommen.
Vielleicht ein zu großes, sollte ich später denken, als ich Jahr für Jahr all die Wirren beobachtete, die Marias tolldreiste
Intrigen im Staat anrichteten.
Hätte Ludwig seine undurchdringliche Maske lüften können, hätte er einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, als seine
Mutter ihre auswendig gelernte Rede beendet hatte. Doch er hätte zu früh geseufzt, denn kaum war Maria verstummt, als sie
eine Fensternische aufsuchte und in Schluchzen ausbrach.
Dieses Weinen versetzte Ludwig in einige Verlegenheit. Wenn auch über eine Szene erzürnt, die er so sorglich hatte vermeiden
wollen, konnte er Maria doch dort nicht stehen lassen, ohne sich öffentlich dem Vorwurf der Herzlosigkeit auszusetzen, den
er selbst seiner Mutter so oft im stillen gemacht hatte. So verharrte er denn unbeweglich an seinem Platz wie eine Statue
und schwieg, als wäre er aus Marmor. Währenddessen trocknete die Königin mit dem Spitzentuch, dessen Gebrauch vielleicht sogar
vorbedacht war, die Tränen, die ihr über die Wangen rollten, und warf Seitenblicke nach ihrem Sohn.
Als er sich keinen Deut rührte und nur zu warten schien, daß sie sich zum Gehen entschloß, unterdrückte sie ihre Tränen und
sprach in pathetischem Ton, aber diesmal, ohne ihn mit ›mein Sohn‹, ›Sire‹ oder auch nur mit ›Monsieur‹ anzusprechen.
»Gut, ich gehe. Aber bevor ich scheide, bitte ich Euch um eine Gnade, von der ich hoffe, daß Ihr sie mir nicht abschlagen
werdet: gebt mir Barbin, meinen Intendanten, wieder.«
|474| Barbin war in der Tat ihr Intendant gewesen, bevor er mit ihrer Zustimmung Minister geworden war. Aber diese Bitte mußte dem
König sehr gegen den Strich gehen, zum einen, weil Maria, indem sie sie aussprach, unloyal aus der Rolle fiel, die sie akzeptiert
hatte, und zum zweiten, weil der König von den drei Ministern Concinis Barbin für den am meisten schuldigen hielt.
Der König war nicht der einzige, dem dieses Ersuchen im höchsten Maße mißfiel. Und ich bemerkte es mit einigem Vergnügen,
trotz des Ernstes der Stunde, als ich sah, wie Richelieu, der zur Rechten hinter der Königin stand, die Nase rümpfte. Denn
kam der König dieser äußersten Bitte der Königin nach und gab ihr
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