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Koenigsmoerder

Koenigsmoerder

Titel: Koenigsmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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Partizipien, denn wenn er sich weiterhin mit den feinsinnigen Unterschieden zwischen »haben« und »behalten« beschäftigte, würde er nicht über den Grund nachdenken müssen, warum er sich baden und rasieren und frische Kleidung anziehen musste.
    Wenn er sich gestattete, über das »Warum« nachzudenken, bestand eine gute Chance, dass er wie ein von einem Pfeil getroffener Hirsch in die Knie gehen und nie wieder aufstehen würde.
    Als er, sauber und erfrischt und makellos gewandet in Schwarz, wieder nach unten kam, war es dem tüchtigen Darran gelungen, sein vernachlässigtes Abendessen wieder aufzuwärmen und einen besonders hervorragenden Krug Eiswein aufzutreiben.
    Hätte er ihn direkt aus dem Krug getrunken, wäre das ein Verstoß gegen die guten Sitten gewesen, daher goss er den Eiswein geschickt in ein papierdünnes Kristallglas ‐ noch etwas, das Conroyd zu stehlen versäumt hatte? Wahrhaftig, der Mann ließ nach ‐ und trank, ohne abzusetzen, bis das Glas leer war.
    Benebelt vom Alkohol, drehte sich ihm ein wenig der Kopf. Er lächelte und schenkte sich ein zweites Glas ein.
    Diesmal hatte Darran das Tablett demonstrativ auf seinen Schreibtisch gestellt, nachdem er all seine Kritzeleien säuberlich auf eine Seite geräumt hatte.
    Gar setzte sich, spießte mit der Gabel ein Stück Fleisch auf und aß, ohne etwas zu schmecken, während er sich abermals Barls Tagebuch und den Einträgen zuwandte, die er bisher übersetzt hatte.
    Ich habe Angst, hatte sie geschrieben. Wir sind dem Wahnsinn des Krieges entkommen, aber ich weiß, dass wir uns nicht für alle Ewigkeit verstecken können.
    Morgan duldet keine Einmischung, ebenso wenig lässt er den geringsten Verstoß ungestraft ‐ und mein Verbrechen gegen ihn ist nicht gering. Wir haben einander einen Eid geleistet, und er wird mich daran binden oder mich töten. Seiner Meinung nach liebt er mich, und Talor vergib mir, ich liebe ihn. Habe ihn geliebt. Habe den Mann geliebt, der er früher war ‐nicht das Ungeheuer, zu dem er geworden ist. Ich muss einen Weg 365
    finden, dieses Ungeheuer zu besiegen, denn anderenfalls sind wir gewiss verdammt. Und die ganze Welt mit uns.
    Es gab keinen Hinweis darauf, wann oder wo sie diesen Eintrag geschrieben hatte. Höchstwahrscheinlich hatte sie es während der schrecklichen Flucht aus Dorana getan, bevor sie und die anderen Flüchtlinge in das schläfrige Land Lur gestolpert waren. Ein weiterer Eintrag, einige Zeit später.
    Heute sind zwei weitere von unseren Kindern gestorben. Sie haben sie auf einem olkischen Friedhof begraben. Diese schlichten Menschen sind gut und freundlich. Ich darf ihnen ihre Güte nicht mit Blutvergießen und Zerstörung vergelten. Es muss eine Möglichkeit geben, dafür zu sorgen, dass dieses fruchtbare Land sicher bleibt.
    Und noch später:
    Er kommt, er kommt, ich kann es spüren. Tabithe und Jerrot meinen, ich träumte nur. Sie sagen, Morgan sei tot, müsse tot sein, die Magierkriege habe niemand überleben können.
    Aber ich weiß es besser. Ich habe keiner Menschenseele von der Macht erzählt, die wir entdeckt haben, von dem Schlüssel zur Unsterblichkeit. Wenn ich es ihnen erzählen würde, würden sie mich als Morgan in ihrer Mitte sehen, und sie würden mich gewiss auf der Stelle töten. Und wenn ich sterbe, kann ihn niemand mehr aufhalten.
    Unsterblichkeit? Gar schob sein Abendessen beiseite und schenkte sich noch einmal Wein nach. Beim zweiten Lesen erschien ihm dieser Gedanke nicht wahrscheinlicher als beim ersten. Unsterblichkeit war ein Mythos. Ein Traum.
    Nicht einmal die alten Doranen, Magier, deren Macht die Vorstellungskraft ihrer zahmeren Nachfahren bei weitem überstieg, konnten nach etwas Derartigem trachten. Oder doch?
    Sie hatte mehr darüber gesagt, in einem späteren Eintrag...
    366
    Die Schaffung dieser Mauer birgt ein gewisses Risiko. Es ist jedoch nicht groß, und ich bin eine Meistermagierin. Morgan ebenbürtig, obwohl es ihm stets widerstrebte, das zuzugeben. Wenn es geschehen ist und Lur für immer sicher hinter dieser Mauer versiegelt ist, werde ich wohl dem Eid, den ich Morgan geleistet habe, folgen und mich unsterblich machen. Nicht aufgrund eines niederen Trachtens nach Macht oder um ein abstoßendes Verlangen nach der Huldigung anderer zu befriedigen. Ich bin nicht Morgan. Ich werde es tun, weil ich weiß, dass er lebt und sich bald verwandeln wird, falls er es nicht bereits getan hat. Dann wird er uns finden, ganz gleich, wie lange es dauert, alle Winkel der

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