Koenigsmoerder
nicht weiter darüber sprechen«, erklärte Veira. »Was geschehen ist, ist geschehen, und es gibt kein Zurück. Warum steigst du nicht rüber zu Rafel und machst ein wenig die Augen zu? Für das, was vor uns liegt, musst du ausgeruht sein.«
»Was ist mit dir? Du brauchst ebenfalls Ruhe, und...«
Er sah ein winziges Aufblitzen weißer Zähne, als sie lächelte. »Und ich bin alt?
Durchaus zutreffend, Meister Maklin. Aber ich bin auf die gleiche Weise alt, wie Bessies Geschirrleder alt ist. Zäh,
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gut gepflegt und schwer zu brechen. Ruh dich aus. Ich werde dich wecken, wenn wir näher bei der Stadt sind und es Zeit wird, unsere Trumpfkarte auszuspielen.«
Sie würde ihren Kopf durchsetzen, das war unzweifelhaft, daher stieg er über den Kutschbock in das vollgestopfte Innere des Wagens und versuchte, dabei nicht auf den schnarchenden Rafel zu treten. Wie der Mann schlafen konnte, obwohl er wusste, was auf ihn wartete, war ihm ein Rätsel.
Obwohl sie Recht hatte und er sehr müde war, bezweifelte Matt, dass er schlafen würde. Aber kaum hatte er die Augen geschlossen, um über Veiras Worte nachzudenken, rüttelte die alte Frau ihn auch schon an der Schulter und flüsterte ihm dringend ins Ohr: »Meister Maklin! Meister Maklin, kommt jetzt! Dorana ist in Sicht. Wacht auf, es ist an der Zeit, Euer Gesicht herzurichten.«
Sie war hinten im Wagen bei ihm. Er öffnete die Augen, richtete sich auf und sah, dass die Sonne untergegangen war. Das zuckende Licht von Fackeln erhellte den Abend. Vier Fackeln brannten an jeder Ecke ihres Wagens. Rafel, der die Zügel hielt, hatte sie an den Rand der Straße geführt; der Verkehr war nur noch ein dünnes Tröpfeln, und sie waren für den Moment allein. Beleuchtet von Glimmfeuer, glänzten in der Ferne die Mauern der Stadt, die nur noch eine halbe Stunde entfernt waren. Er hatte nicht gedacht, dass er so lange schlafen würde.
»Leg dich auf den Rücken, und halt den Kopf unten«, befahl Veira ihm leise.
»Und ganz gleich, was geschieht, gib keinen Laut von dir. Dies sollte nicht direkt schmerzhaft sein, aber es könnte ein wenig kribbeln.«
»Warum?«, flüsterte er und ließ sich auf den Boden des Wagens nieder. »Was hast du vor? Was ist das für ein Trick, den du ersonnen hast?«
»Um die Wahrheit zu sagen, mein Lieber, ich bin mir nicht ganz sicher. Etwas, das dein gutes Aussehen ein klein wenig beeinträchtigt, wie ich hoffe.« Sie ging neben ihm in die Hocke. »Jetzt schließ die Augen, und wehr dich nicht. Du musst vollkommen offen sein für dies hier.«
Nervös, aber vertrauensvoll griff er in sich hinein, löste die Fes 360
sein, mit denen er seinen Geist umgeben hatte, verschmolz mit dem Gewebe der Welt um sich herum... und erstickte beinahe an einem Aufschrei des Schmerzes und der Überraschung. Es war so, als atme man Feuer oder Gift ein oder etwas von beidem.
»Was ist los? Was ist passiert?«, fragte Rafel und blickte über seine Schulter.
»Matthias? Matthias!«
Veiras Stimme war ein Anker, etwas, woran er sich festhalten konnte. Er klammerte sich an sie, erfüllt von der verzweifelten Sehnsucht nach der Berührung unversehrten Fleisches unter seinen Fingern. Sein Geist fühlte sich besudelt an, als sei er mit etwas Bösem verseucht worden. Keuchend widerstand er dem Drang, seinen Magen über ihr zu entleeren. »Es ist wieder da! Veira, kannst du es nicht spüren? Dunkel ‐ klebrig ‐ verkommen! Schlimmer, als ich es zuvor gespürt habe. Stärker ‐ beinahe lebendig.« Er presste beide Fäuste auf den Mund, um das Grauen in sich festzuhalten. Dann kämpfte er darum, das Gleichgewicht wiederzufinden, die Gelassenheit, obwohl das Ding, das er im Herzen der Magie Lurs pulsieren spüren konnte, nichts mehr wünschte als Chaos und Zerstörung.
Veira hielt seinen Kopf an ihren Bauch gedrückt und wiegte ihn hin und her. »Es ist alles gut, alles gut, atme nur tief durch, Kind. Sorge dafür, dass du deinen Geist wieder verschließt. Vielleicht ist es lebendig, vielleicht auch nicht, aber wir wollen ihm nicht mit den Händen vorm Gesicht herumwedeln, nicht wahr?«
Herzschlag um Herzschlag verebbte das furchtbare Gefühl, und er konnte sich wieder aufrichten. »Das war grauenvoll.«
»So hat es auch ausgesehen«, sagte Rafel erschüttert. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Ich komme schon zurecht.« Er starrte Veira an. »Ich denke, es ist das, wovor die Prophezeiung uns gewarnt hat. Das Ding, gegen das wir in den Letzten Tagen kämpfen
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