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Koerper, Seele, Mensch

Koerper, Seele, Mensch

Titel: Koerper, Seele, Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Hontschik
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deren Einhaltung durch umfangreiche Dokumentationen nachgewiesen werden muß. Nicht jeder Arzt kann als Behandler an einem solchen Programm teilnehmen, sondern nur derjenige, der eine spezielle Qualifikation im Rahmen des DMP nachweisen kann; dann jedoch wird ihm seine Arbeit mit Sonderzahlungen besser vergütet als die übliche ärztliche Tätigkeit. Ganz offensichtlich hat die individuelle Arzt-Patient-Beziehung keinen Platz in diesem Modell, innerhalb dessen man im Grunde, konsequent zu Ende gedacht, der ›trivialen‹ Maschine Mensch die Maschine Arzt gegenüberstellen müßte.
    Wenn man im Gegensatz dazu in der Medizin ein Menschenbild vertritt, in dem das Lebewesen Mensch seine Umwelt so konstruiert, daß es überleben und lebenkann – mit Erfolg, d. h. gesund; ohne Erfolg, d. h. krank –, dann steht die Kommunikation, die Beziehung zwischen den Menschen, im Mittelpunkt. Der Einzelfall wird interessant. Natürlich sind Informationen über die ›Maschine‹ unverzichtbar, sind Fortschritte in Biochemie, Physik und Physiologie wertvoll, aber dennoch gilt: Ein Arzt behandelt keinen Diabetes, ein Arzt behandelt einen Menschen, der dadurch, daß er an Diabetes erkrankt ist, zum Patienten geworden ist. Zum zentralen Thema der Heilkunst wird so die Kommunikation, und in ihr funktioniert nichts nach dem trivialen Prinzip von Ursache und Wirkung. Jeder der Kommunizierenden, in diesem Fall also Arzt und Patient, gibt im Verlauf der Kommunikation jedem Schritt, jedem Erleben, jedem Symptom eine Bedeutung. Der Prozeß der Bedeutungserteilung wird damit das Zentrum der Arzt-Patient-Beziehung. Das System ist also nicht mehr zweigliedrig und trivial in dem Sinne, daß auf dieselbe Ursache die immer gleiche Wirkung folgt, sondern mindestens dreigliedrig durch den kontinuierlichen Prozeß der Bedeutungserteilung. Da nun in der Arzt-Patient-Beziehung (mindestens) zwei Personen handelnd beteiligt sind, entsteht die Frage, inwieweit die beiden parallel laufenden Prozesse der Bedeutungserteilung gleich sind. Kommt es zu einer Annäherung oder gar Deckung dieser Prozesse, so kann Passung entstehen, ein Gefühl des gemeinsamen Anliegens und der gemeinsamen Sorge. Passung, die Konstruktion einer gemeinsamen Wirklichkeit, ist das Werkzeug und zugleich das Ziel einer Humanmedizin, die diesen Namen verdient. Das steht der Idee eines profitorientierten Gesundheitswesens allerdings diametral entgegen.
    Von dieser Art der Humanmedizin soll in diesem Buchdie Rede sein, weshalb es sowohl das Leitbild als auch den Alltag eines heutigen Arztes zum Inhalt hat. Es will das herrschende dualistische Paradigma der Schulmedizin sichtbar machen und zu dessen Veränderung anstiften: hin zu einer humanen Medizin jenseits aller politischen Eingriffe.
    Auf der Suche nach dem Menschenbild der Medizin lautet meine erste Frage (die damit auch das Thema des nächsten Kapitels ist): Warum wollte ich Arzt werden, warum habe ich Medizin studiert, was habe ich gelernt, als mir die Humanmedizin beigebracht wurde? Dabei werden die Umrisse des dualistischen Menschenbildes in der Schulmedizin sichtbar, das den Menschen in Körper und Seele nicht nur einteilt, sondern regelrecht trennt.

3. Ärztliche Ausbildung:
Heilkünstler oder Medizintechniker
    Als Junge fiel mir ein Buch von Jürgen Thorwald in die Hände, Das Jahrhundert der Chirurgen , das ich mit Begeisterung las, ja förmlich verschlang, um danach nur noch ein Ziel zu haben: Ich wollte Chirurg werden! Ein Chirurg vereinte in sich all das, was mich faszinierte: Er war Helfer, Handwerker, Detektiv. Eine Geschichte aus Thorwalds Buch beeindruckte mich besonders. Es ging dabei um ein Aneurysma, eine Aussackung der Wand einer Schlagader, die keinem hohen Druck standhält und daher leicht platzen kann, was im geschilderten Fall zu einer Hirnblutung geführt hätte. Das Aneurysma, das sich im Gehirn des Patienten befand, mußte also operiert werden, ein gefährlicher Eingriff, bei dem die Blutzufuhr nicht unterbrochen werden konnte, ohne die Sauerstoffversorgung des Gehirns zu gefährden. Da erfand der Chirurg ein Drosselungsinstrument, das er vor dem Aneurysma einsetzte und über viele Tage langsam, Schritt für Schritt, zuschraubte. Auf diese Weise nahm die Blutversorgung von der anderen Seite aus kontinuierlich zu, und zum Schluß hatte die Arterie der Gegenseite genug Volumen, um die ganze Region beidseits zu versorgen. Dann erst konnte die Operation durchgeführt werden und war erfolgreich. Ich war

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