Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
Vom Netzwerk:
daß dieser Raub ein gewaltiger gewesen sein mußte.
    Wie die Tat ausgeführt worden war, blieb vorerst noch im Dunkeln, und Norman bewunderte die Genialität der Taschendiebe, die unbemerkt durch den Hochsicherheitskordon geschlüpft waren und mit vielen Tonnen goldener Beute das Weite gesucht hatten. Norman zählte die Reihen von Nullen und bemühte sich, die Summe in Gruppen aus Hundertern, Tausendern und Millionen aufzuteilen. Sie war unvorstellbar groß.
    Rasches Durchblättern der verbleibenden Seiten enthüllte zum größten Teil nichts Unerwartetes. Der gleiche ausgetretene Kram wie immer, obwohl er in seiner langweiligen Gleichheit merkwürdig beruhigend wirkte. Lokale Feierlichkeiten und Blumenschauen. Eine Auflistung der Automärkte, die in der folgenden Woche stattfinden würden. (Norman mußte immer wieder staunen, wie groß das augenscheinliche Interesse der Öffentlichkeit an privaten Automärkten war.) Eine drei Seiten umfassende Gezeitentafel. Die Demonstration der Levitationskunst, ursprünglich für die folgende Woche angekündigt, wurde wegen unvorhergesehener Umstände abgesagt. Der Stadtrat verschleuderte immer noch brachliegendes Gemeindeland in dem vergeblichen Bemühen, den Haushalt auszugleichen. Der Alte Sandeil, Wahrsager und Orakel des Brentforder Merkur, prophezeite dem Königshaus einen weiteren Skandal und daß ein einäugiger Puertoricaner das Derby gewinnen würde. Immer wieder die gleichen, altbekannten Geschichten.
    Norman schüttelte einmal mehr den Kopf — weil er es wie stets nicht glauben konnte —, grub einen Kuli aus der Tasche und fing an, die Zeitungen zu numerieren.
    »Ein unsichtbarer Guru, ein Goldraub und Aloha für die olympischen Hoffnungen von Birmingham«, brummte er vor sich hin. »Gesprächsstoff im Fliegenden Schwan für die Mittagszeit, aber wohl kaum geeignet, das hehre Antlitz der Zivilisation in unserer Gemeinde zu ändern.«
    Im Licht zukünftiger Ereignisse hätte Norman gut daran getan, diese letzte Bemerkung zu unterdrücken und statt dessen eine völlig andere von sich zu geben… nach Möglichkeit eine von der Sorte wenig fröhlicher Untergangsprophezeiungen aus dem evangelischen Buch der Offenbarungen, oder ein einfaches: »Das Ende steht unmittelbar bevor.«
    Doch Präkognition war noch nie eine von Normans stärkeren Seiten gewesen. Hätte er auch nur eine Spur dieses Talents besessen, würde er jetzt nicht unnötigerweise Zeitungen numeriert haben, die er in Kürze selbst austragen mußte. Denn an jenem besonderen Morgen, wie schon an verschiedenen Morgen in der Vergangenheit, hatte sich Zorro der Zeitungsjunge entschlossen, lieber in seinem gemütlichen Bett liegen zu bleiben, als sich den Unbilden von Zeitungstasche, Fahrrad und kläffenden Bullterriern auszusetzen.
    So kam es, daß Norman mit einer falsch gepfiffenen Melodie von Captain Beefheart 2 auf den Lippen und dichtem Staub auf den Superkoteletten mit seiner morgendlichen Aufgabe fortfuhr und in seliger Unwissenheit übersah, daß er soeben eine erste Ahnung vom Anfang des Endes erhalten hatte. Oder wenn schon nicht des Endes, so doch etwas, das dem verdammt nahe kam.

Kapitel 2
     
    Keine hundert Yards Luftlinie nördlich von Normans Eckladen stand ein öffentliches Gebäude, das der Brennpunkt des Brentforder Universums war. Eine solide Konstruktion aus alten Londoner Ziegelsteinen und reich verziert mit viktorianischem Schnickschnack, hatte der Fliegende Schwan allen Fallen und Stolpersteinen eines haarsträubenden Brauereimanagements getrotzt. Die Gäste des Pubs waren stets von schalem Bier oder typischem Kneipenessen »à la Basket« verschont geblieben.
    Der Fliegende Schwan war in Würde alt geworden. Die Butzenscheiben, verfärbt vom Nikotin und einer Million bierseliger Atemzüge, lieferten genau jene Sorte von Licht, die man exklusiv in älteren Pubs finden kann. Das polierte Messing der Bierpumpen schimmerte wie altes Gold, und der Tresen funkelte in einer alten Patina. Die schweren Gerüche von Messingpaste und Bienenwachs mischten sich mit denen von Hopfen und Gerste und Malz und Beeren zu einer ganz eigenen, erhebenden Duftnote. Nur ein Mann, der ohne Seele zur Welt gekommen war, würde beim ersten Betreten des Fliegenden Schwans nicht einen Augenblick innehalten, die Luft einatmen und die einzigartige Atmosphäre in sich aufnehmen, um dann zu sagen: » Das nenne ich ein Pub!«
    Doch ein Pub ist selbstverständlich trotz allem Ambiente, trotz aller Düfte und aller

Weitere Kostenlose Bücher