Komm her, Kleiner
Abend“, sagt XXX.
„Und auf die Zukunft.“ Ich trinke einen Schluck Wein, der fruchtig und doch erdschwer schmeckt und meinen Kopf angenehm leicht werden lässt.
„Genau. Auf die Zukunft.“ XXX sieht mich an. „Und über die sollten wir dann jetzt auch langsam sprechen.“
Ich nehme eine professionelle Haltung ein, was selbst nach einer Flasche Wein eine meiner leichtesten Übungen ist. Allerdings nicht unbedingt auch nach diesem Rotwein. „Die Einzelheiten habe ich ja bereits mit deiner Agentin besprochen“, sage ich.
„Geld, Drehtage, Presseaktivitäten“, nickt XXX. „Alles klar.“
„Darf ich dich etwas fragen?“
„Nur zu.“ Er lässt den Wein in seinem Glas kreisen.
„Warum interessierst du dich für die Rolle? Hast du …“ Ich beiße mir auf die Zunge. Vorsicht, Lola. Der Fisch ist am Haken, nun bring ihn nicht dazu, sich doch noch loszureißen!
Aber XXX hat auch so verstanden, was ich meine. „Warum ich es nötig habe, meinst du?“ Er lacht. „Ich weiß gar nicht, ob ich es ‚nötig’ habe. Zugegeben – meine Serie läuft nicht mehr so gut wie am Anfang. Ich kann die Publicity sicher brauchen, und so ist es doch ein bisschen einfacher, als in den Dschungel zu gehen und mich mit Kakerlaken übergießen zu lassen.“ Wir lachen. „Aber wenn ich ganz ehrlich bin … ich will das nicht machen, weil ich es nötig habe. Sondern einfach weil ich es kann.“ Er trinkt einen Schluck. „Oder besser: Weil ich rausfinden will, ob ich es wirklich kann.“
„Nackt vor einer Kamera stehen meinst du?“
Er schüttelt den Kopf. „Nein, das ist kein Problem. Das habe ich schon ein paarmal gemacht.“
„Deine Agentin hat gesagt, du hast vielleicht ein Problem damit, dich auch vor Frauen auszuziehen.“
„Blödsinn. Das ist auch nicht viel anders, als wenn du in die Sauna gehst. Da ist nun wirklich nichts dabei.“ Er wirft mir einen Blick zu, der das leichte Gefühl aus meinem Kopf ein weiteres Mal zielsicher in meinen Bauch transportiert. „Ich hab eine gute Figur und einen schönen Schwanz. Warum sollte ich ihn also nicht zeigen?“
„Ja, also, nein wirklich, ich meine ...“ Etwas Blöderes fällt mir gerade nicht ein.
„Klingt eingebildet, oder?“
„Eher ein bisschen … komisch.“ Ich schlucke. „Du dürftest der erste Mann sein, den ich kenne, der mir sagt, dass er einen schönen Schwanz hat.“
„Stört dich das?“
Ich überlege. Stört mich das? Mit Karen rede ich oft über die Schwänze in unserem Leben. Manchmal mache ich das sogar mit meinem Bruder. Warum also nicht auch mit diesem intelligenten und gutaussehenden Kerl.
Aber warum fühle ich mich plötzlich so flatterig?
Eins ist klar: Das ist jetzt genau der Punkt, an dem sich entscheidet, wie der Abend weitergeht. Ich kann jetzt eine freundliche, ausweichende Antwort geben. Dann verlange ich die Rechnung, wir verabschieden uns, und dann sehen wir uns wahrscheinlich erst am Set wieder. Oder aber …
„Es stört mich überhaupt nicht.“ Die Worte kommen wie von selbst aus mir heraus. Und dann setze ich, vollkommen bewusst, hinterher: „Und ich bin gespannt, ob du übertreibst oder nicht.“
Was ist das für ein Ausdruck, der für eine Sekunde in seinem Gesicht auftaucht – ist er … erstaunt? Hat er vielleicht gar nicht im Sinn gehabt, den Abend eindeutig in eine Richtung zu lenken? Fühlt er sich von mir überrannt? Findet er mich unattraktiv? Hat er eine Freundin? Bin ich eine unprofessionelle Schlampe? Soll ich noch einen Nachtisch bestellen? – Zugegeben: Der letzte Gedanke ist der schwache Versuch meines Verstandes, die Oberherrschaft über mein Handeln zurückzugewinnen.
„Ich beweise dir das sehr gerne.“
Die sechs harmlosen Worte hören sich aus XXXs Mund wie eine Herausforderung an. Mein Verstand verabschiedet sich mit einem amüsierten O, là, là! – lässt mir als Abschiedsgeschenk aber noch eine Frage da.
„Wenn du kein Problem damit hast, dich vor der Kamera auszuziehen – was ist dann die Herausforderung, von der du gesprochen hast?“
XXX grinst. „Wollen wir das nicht lieber unter vier Augen besprechen?“
Die Fahrt im Taxi dauert nicht lange, zehn Minuten vielleicht, aber sie erscheint mir wie Stunden. Wir sitzen gemeinsam auf der Rückbank, unsere Knie und Schultern nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und die Energie, die sich zwischen uns aufzubauen beginnt, könnte manche Großstadt mit genug Strom für eine lange Winternacht versorgen. Es ist so, als würden
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