Komm zurueck, Como
hacke und mir plötzlich vorstelle, wie bei einem Ausrutscher das Blut spritzen würde, oder, wie jetzt, wenn ich unter der Bogenlampe auf meinem Schreibtisch die Zeit totschlage– sehe ich sie, die kleine, wie ein Komma geformte Narbe. Ich weiß, Como hat im Reflex und in seiner Verzweiflung nicht mich gebissen. Ich wusste es in dem Moment, als es geschah. Doch ich war dort bei ihm, ich war derjenige, der sich über ihn beugte, als er mit gebrochenem Becken unter Schock stand. Er biss mich, weil ihn sein Instinkt dazu veranlasste, weil er keine andere Wahl hatte, weil ich da war.
Die Narbe hat die Form eines Zahns. Ich kann erkennen, wo Comos scharfer Eckzahn eingedrungen ist und einen perfekten Abdruck hinterlassen hat, der unten breiter ist und sich nach oben hin zuspitzt. Auf halbem Weg zweigt rechts und links jeweils eine kleinere Narbe ab. Wenn ich meine Hand drehe und sie von einem bestimmten Winkel aus anblicke, verwandelt sich die Narbe in einen Baum, in eine winzige, tropische Palme, die sich in der Meeresbrise neigt, während die Palmwedel im Sonnenlicht rascheln. Ich bin ganz woanders. Den Abgabetermin kann ich vergessen.
Como ist, seit er bei uns lebt, gealtert. Der Nervenschaden und die Arthritis, vor der uns unser Muskelprotz-Chirurg gewarnt hatte, sind zwar kein Thema, doch Como ist etwas langsamer geworden, ist weniger flink als in seinen ersten chaotischen Jahren bei uns. Und er ist ein bisschen schwerer, um den Bauch herum breiter und überall etwas zotteliger geworden. Hin und wieder gibt er ein seltsames, kehliges Räuspern von sich wie ein alter Mann, der mit sich selbst murmelt. Seine Hundewelt hat sich verändert. Seine beste Freundin Lizzy, das Dynamopudelweibchen, ist mit ihrer Familie nach Denver gezogen. Max und Willie, diese wunderbaren, hellen, alten Labradore, die sich unserem leicht zu irritierenden Hund nie in bedrohlicher Weise genähert haben, starben. Auch Jessie, die ältere Hündin unserer Nachbarn, starb und folgte ihrem Sohn Riley in die ewigen Jagdgründe der Welsh-Springer-Spaniel.
Doch es geht nicht nur um Abschied und Sterben. Pam und Cheryl fanden nach einer angemessenen Trauerzeit für Riley eine Springer-Spaniel-Dame namens Clancy, die Como mit eifrig wedelndem Schwanz begrüßt. Ein Stück die Straße hinauf zog Rocky ein, ein lebhafter, freundlicher Jack Russell. Auf unseren Spaziergängen gab es zwischen den beiden ein paar feurige Begegnungen, bei denen Como Vorsicht walten und sich von Rocky nicht einschüchtern ließ. Lizzy kommt mit ihrem neuen und größeren Pudel-»Bruder« Rufus ein oder zwei Mal im Jahr zu Besuch.
Wenn Como echte und vielleicht schwerwiegende Symptome seines Alterungsprozesses zeigen wird, wird Phoebe fort sein. Sally und ich werden mit dem, was passiert, allein zurechtkommen müssen. Es ist eigenartig, darüber nachzudenken, doch der Gedanke kommt mir von Zeit zu Zeit: Wenn Como eines Tages fort ist, wird er zumindest ein spürbares Stück von sich zurücklassen– diese kleine, spitze Palme, die er auf meinem Daumen gepflanzt hat.
Como hat nie viel gebellt. Manchmal hören wir bis auf ein leises Murren tagelang keinen Ton von ihm. Deswegen bin ich verblüfft, als er auf dem Flur zu bellen beginnt. Eine Zeit lang achte ich nicht darauf, denke, dass ein Lieferant die Veranda heraufgekommen und wieder gegangen ist oder dass der Hund ein Motorrad oder einen besonders lauten Lastwagen gehört hat. Ich hacke weiter auf meiner Tastatur herum. Doch als Como nicht aufhört zu bellen, sondern noch ein tiefes Heulen und hohes, abgehacktes Jaulen einarbeitet, stehe ich auf und öffne die Tür des Arbeitszimmers.
» Z«, beginne ich, bevor ich es gleichzeitig sehe und spüre: Die Haustür, durch die neblige Luft bis zu Como und, weiter hinten im Flur, auch zu mir dringt, steht offen. Ich erstarre und gerate in Panik. Meine Gedanken eilen voraus und versuchen, dies hier abzuwenden, es zu leugnen, es ungeschehen zu machen. Nicht noch einmal, denke ich. Nicht noch ein schrecklicher, dem Untergang geweihter Dauerlauf aus dem Haus, die Verandatreppe hinunter und durch die Straßen von San Francisco. Das können wir nicht noch einmal tun. Das können wir nicht. Wir können einfach nicht. Und wer hat die Tür offen stehen lassen? Phoebe, als sie ins Sportstudio ging? Sally, die nach Hause kam und sie kurz offen stehen ließ, während sie etwas ins Haus trug? War ich der Schuldige und habe das Schicksal herausgefordert, indem ich die Tür nicht fest genug
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