"Kommst du Freitag"
niemals später am Abend nachgefragt oder gar morgens um sieben, wo man denn abgeblieben sei und was für ein Alibi man habe.
Meine Architektenfreundin Helene, die so smart, langbeinig und milchkakaobraun schön ist, dass man in ihrer Nähe schnell nach seinen inneren Werten sucht, handhabt das ein wenig anders. Und wie sie selbst weiß, nicht clever. Sie hat natürlich nie Mühe, sich ebenso wohlgestalte wie kluge Männer zuzulegen, oft in anderen Städten, das bringt ihr Beruf mit sich: London, Mallorca, Berlin – Helene lebt Auftrags-Jetset. Sie wird aber leider nervös, sobald ein halber Tag vergeht, ohne dass sie „seine“ Stimme hört. Sie wird panisch, wenn dieser Zustand eineinhalb Tage anhält. Und seit es die SMS zum probaten Mittel für die erotische Kontaktaufnahme gebracht hat, ist das nicht besser geworden. Helene war die Erste in meinem Bekanntenkreis, die einen Blackberry besaß,und sie ist eine Meisterin darin geworden, binnen dreier Monate nahtlos vom verbalen Tändeln per Kurzbotschaft zum SMS-Vorspiel zum E-Mail-Sex zum „Wo-bist-Du-und-warum-hast-Du-Dich-heute-noch-nicht-gemeldet? IvD“-Notruf überzugehen.
„Ich vermisse Dich“, gepusht aufs Smartphone – es kann ein Fluch sein. Die tollsten unter den tollen Männern sind so ein Vergissmeinnicht schnell leid.
Teuer kamen Helene zwei Spontanflüge nach Australien zu stehen. Ihr damaliger Lover, von seiner deutschen Firma nach Sydney abgeordnet, hatte sein Handy auf einem Segeltörn versenkt und danach zwei verabredete Skype-Sessions verschlafen. Weil sie vor Eifersucht nicht mehr geschäftsfähig war, hatte Helene den nächsten Flug ab Frankfurt gebucht, um ihn zu „überraschen“. Als sie kam, lag er in seinem Bett, allein. Beim ersten Mal fand der Mann das süß, bei ihrem zweiten Anfall drei Monate später wurde er sauer. Da war sie mitten in seine Präsentation gestürzt; es ging um einen 500-Millionen-Dollar-Auftrag. Helene flog als Single wieder heim und fand sich tief im Dispo wieder.
Man kann zu ihrer Entschuldigung sagen, dass jede Fernbeziehung ab einer gewissen Distanz und einer ungewissen Dauer unhandlich wird. Sydney-Berlin gehört zweifellos in die Kategorie. London-Hamburg, wie Helene ebenfalls erfahren hat, ist mindestens kritisch.
Grundsätzlich aber ist die Sache einfach: Kontrolle bringt nicht mehr Nähe. Paul und ich hatten nicht „unser Lied“, wir hatten unsere Zeit. 20.14 Uhr, Wetterkarte. Und wenn nicht, dann nicht. So blieb es bis in meine letzten hochschwangeren Tage als Pendlerin, zehn Jahre später. Notrufe, echte und sehnsüchtige, waren natürlich niemals verboten und letztlich sehr zahlreich.
Rituale, schöne und tückische
Als weibliches Wesen, das weit entfernt von seinem Lebensmenschen haust, ist es ja so: An den Wochentagen bist du täglich deine Kopie von Bridget Jones, frei zu tun und zu lassen, was dir gut tut oder auch nicht. Peinliche Fernsehsendungen gucken zum Beispiel, sich dabei die Beine epilieren und die Augenbrauen zupfen, und nachher darf das French Dressing ruhig auf deine ausgebeulte Sporthose tropfen, weil du den Salat gleich aus Schüssel schlingst und dir dabei die vom Zupfen roten Punkte auf deinen Beinen betrachtest. Ad-hoc-Dienstreisen ins Ausland oder endlose Abendveranstaltungen mit Provinzpolitikern stehen nie zur Abstimmung; Weiber-Kinoabende mit anschließendem übermäßigen Weingenuss bedürfen keiner Ansage; das auffrischende Interesse anderer Männer an dir wird nicht registriert und kommentiert; das nächtliche Schreiben an langen Reportagen nicht gestört durch die Frage: „Und was wollen wir heute Abend essen? Ich hab auf irgendetwas Appetit, weiß aber nicht, worauf.“
Keiner will was, keiner fragt was, keiner sagt was.
Aber das Wochenende wird unwillkürlich zum Muss, zum Jour fixe, zur nicht selbstverständlichen Selbstverständlichkeit – und das bei einem Gastronomen und einer Politikredakteurin, das passt formal natürlich: null. An Wochenenden wird in einem Restaurant der meiste Umsatz erzielt, gehen gern zur Unzeit Eiswürfelmaschinen kaputt oder läuft im Keller des Cafés bestialisch stinkend der sogenannte Fettabscheider über. Da will die Mannschaft gelobt werden oder verschläft der beste Barkeeper seinen Dienstantritt, weil er verdammt noch mal jung ist und die Nacht zuvor in einem Club durchgemacht hat. Es kann dann durchaus ungünstigsein, wenn der Café-Besitzer mit seiner Freundin 198 Kilometer entfernt in Berlin adrett
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