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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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lässt dich ziehen und beweist genau damit größtmögliche Zuneigung. Das ist nicht paradox. Das ist anziehend. Er weiß, dass er dich nicht haben kann, ohne deinen Ehrgeiz, deine Lust auf Veränderung, den Drang dich auszuprobieren. Bestenfalls will er dich genau darum haben.
    Es schließt sich nämlich keineswegs aus, eine Frau ihr Ding machen zu lassen und trotzdem ein paar Tränen um sie zu vergießen, wenn sie mit ihrem roten, bis unters Dach vollgestopften beuligen Peugeot 205 die Weite sucht.
    Oder, sagen wir, Hamburg.
    Sie hatten mich an der Journalistenschule dort genommen, was so etwas ist wie für andere ein Stipendium in Oxford oder Freitickets für ein Fußball-WM-Finale unter deutscher Beteiligung: In Hamburg bekamen normalerweise Bewerber eine Chance, die vier Sprachen konnten oder in der Hirnforschung promoviert worden waren. Die Quote von Bewerbern zu Plätzen lag angeblich bei 3600 zu 36 oder so ähnlich. Ich konnte leidlich englisch lesen, gut ostdeutsch verstehen und die Leipziger Lokalzeitung mit garstigen Kulturkritiken vollschreiben. Der Platz war also für Studienabbrecher wie mich ein Lottogewinn.
    Als zu Hause der Brief mit der Zusage ankam, saß ich in Istanbul in einem Hotel, allein. Ich war mit lauter ältlichen Reisejournalisten auf Promotionstour eines deutschen Luftfahrtunternehmens. In wenigen Minuten sollten wir zum Harem des Topkapi-Palasts gefahren werden, wo man uns Mozarts „Entführung aus dem Serail“ vorsetzen würde, in zweitklassiger Besetzung. Meine Leipziger Zeitung hatte mir die Reise als Schmankerl zugedacht. Das Telefon auf meinem Zimmer klingelte, und der Rezeptionist verband mich mit „Your Mother“. Mir stockte das Herz, ich dachte, es sei etwas passiert. Mama sagte aber nur: „Sie haben dich genommen.“ Ich war außer mir vor Freude, aber hatte niemanden um mich, den das interessieren könnte. Ich machte keine Becker-Faust oder Luftsprünge, eher kiekste ich kurz wie ein Meerschwein und strahlte die nächsten zwei Tage wie auf Droge, und niemand strahlte zurück.
    Allein und weit weg zu sein von den wichtigsten Menschen in sehr wichtigen Momenten würde fortan mein Leben sein. Dies war der Vorgeschmack.
    Als Paar sahen wir das enorm pragmatisch: Die Liebe bleibt uns ja, alles andere nicht. Paul und ich stellten uns darumnie die Frage, ob ich weggehen würde. Und weil wir jung und arglos waren, fragten wir auch nicht wirklich nach dem Wie. Das war ein Vorteil unserer Jugend, der sich nicht mal als Nachteil tarnte.
    Bei meiner Freundin Milla erlebte ich wenig später, dass ein solches Verhalten unter paarungsreifen Großstädtern aber alles andere als selbstverständlich ist. Man glaubt nicht, wie schnell das Paradies der Liebe zum Schrebergarten schrumpfen kann, wenn einem zunächst aufgeklärt und großstädtisch wirkenden Mann die Karriere seiner Frau unheimlich wird. Von Milla und Carsten, von Helene und ihren wechselnden Mr. Bigs wird noch die Rede sein.
    Zunächst aber schlitterten meine Mutter in ihrem Golf und ich in meinem sommerbereiften Kleinwagen bei schlechter Sicht und Glatteis gen Norden, ins Ungewisse. Es war ein hässlicher Januartag. Wir erkannten nichts durch den Eisnebel vor der Frontscheibe, nichts durch unsere mit Matratzen verstopften Hecks, entgingen dem einen oder anderen tödlichen Unfall und nahmen das als gutes Omen.
    Paul war nicht mitgereist auf dieser Horrorfahrt, weil er keine Zeit hatte. Seine erste Kneipe war damals erst sechs Monate auf. Mir war es sehr recht, dass er zurückblieb. So konnten er und ich nach dem Abschied leise vor uns hinheulen und genau dann aufhören, als uns jeweils danach war. Bei mir auf der A9, in Höhe Tankstelle Fläming, nach 45 Minuten. Bei ihm vermutlich an der nächsten Ampel.
    Dann begann ich mich zu freuen.
    Die Alster war bei unserer Ankunft zugefroren und versuchte mit ihrer eisigen Schönheit Hamburg unwiderstehlich zu machen. Es gelang nur kurzfristig. Ich zog in eine WG, die mir nichts bedeutete. Mit 23 ist das noch okay, schon mit 28 macht man so etwas anders; jedenfalls wohnten meine künftigen Kolleginnen wesentlich hübscher. Sie hatten sich eingerichtet,ich hatte mich untergebracht. Ich signalisierte, vor allem mir: Hier bin ich nur auf Durchreise.
    Im Durchreisemodus kann man seine Bleibe fliehen wie ein Agent, binnen Minuten und ohne Spuren zu hinterlassen. Das ist durchaus mal amüsant, aber nicht auf Dauer. Bei mir war es nicht mal amüsant.
    Mein Zimmer in Eppendorf war zur Hälfte

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