Ostseekueste Mecklenburg-Vorpommern
Bild: Seebrücke Heringsdorf
Blaues Meer, kilometerlange weiße Sandstrände, traditionsreiche Seebäder mit aufwendig renovierten Villen und Seebrücken, die zum Promenieren über den Wellen einladen – das ist die eine Seite der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern, kurz MeckPomm genannt, die jährlich Hunderttausende Urlauber anzieht, Tendenz steigend. Zuwächse bei den Besucherzahlen verzeichnen auch die alten Hansestädte, deren von rotem Backstein geprägtes Stadtbild noch immer – bzw. nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten wieder – von einstigen Blütezeiten zeugt .
Doch es gibt noch eine andere, oftmals unbeachtete Seite dieses Küstenstrichs, die es zu entdecken lohnt: das Hinterland der Halbinseln und Inseln mit ihren Boddenlandschaften. Hier schlendern Sie entlang von Rapsfeldern, erfreuen sich später im Jahr an Mohn- und Kornblumen, an Heckenrosen und Ginster und lauschen dem Summen und Gezwitscher in den Schilfgürteln. Stundenlang können Sie hier zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sein – vor allem im Frühjahr und Herbst –, ohne einer Menschenseele zu begegnen.
Die Insel Ummanz, Lebbin und Reddevitzer Höft auf Rügen sowie der Lieper Winkel auf Usedom sind solche abgeschiedenen, verträumten Ecken. Oder der Darß, den Wind und Wellen immer weiter ausfransen und von dem sie unaufhörlich Land abnagen, um es an der Nordspitze wieder anzulanden. Am Darßer Ort wird Deutschland jedes Jahr um acht bis zehn Meter größer. Fisch- und Seeadler haben sich diese Regionen als ihr Zuhause gewählt, Hinweisschilder am Straßenrand machen auf den Fischotter aufmerksam, Zehntausende von Kranichen kommen jeden Herbst in die flachen Gewässer zwischen Zingst und Rügen geflogen. Die untergehende Sonne verdunkelt sich, wenn sie in den Abendstunden der Spätsommer- und Herbsttagen von ihren Futterplätzen mit trompetenhaften Rufen in die Nachtquartiere einschweben, bevor es weitergeht auf die weite Reise in den Süden. Ebenso beeindruckend, wenn auch nicht so unberührt und alles andere als unbekannt sind die kreideweißen Felsen auf Rügen, die aus den dunklen Buchenwäldern leuchten. Sie gehören wie der Darß zu den rund 20 Prozent der Landesfläche, die unter besonderem Schutz steht: An der Küste gibt es zwei Nationalparks, einen Naturpark und ein Biosphärenreservat, um das größte Potenzial des Landstrichs, die Naturschönheiten, zu bewahren.
Bäderarchitektur: ein Mix aus Türmchen, Loggien, Säulen …
Den Kontrast dazu liefern die trubeligen Seebäder mit ihrem Architekturmix, Bäderarchitektur genannt: Hotels und Villen schmücken sich mit verschnörkelten Türmchen, verzierten Loggien, putzigen Dachaufbauten und korinthischen Säulen. Was anderswo spätestens in den 1970er-Jahren der Abrissbirne zum Opfer fiel und durch Glas und Beton ersetzt wurde, konnte sich hier über die DDR-Zeit retten. Zwar marode, aber die architektonischen Kostbarkeiten blieben erhalten. Nach der Einheit wurden sie liebevoll saniert, und heute geben sie den Seebädern von Boltenhagen im Westen bis Ahlbeck im Osten ein unverwechselbares Gesicht. Wenn Sie durch Kühlungsborn, Binz oder Heringsdorf bummeln, glauben Sie, ein Architekturmuseum zu besuchen. Schlösser und Herrenhäuser, von denen es in Mecklenburg-Vorpommern fast hinter jeder Ecke eins gibt, verwandelten sich, aufwendig restauriert, in Hotels. Die Einheimischen wissen um ihre Schätze und haben rasch mitbekommen, was Touristen mögen. Nach der Einheit bauten sie Seebrücken zum Promenieren über den Ostseewellen, Marinas, Golfplätze, Freizeitbäder und Wellnesstempel.
Erinnerung an Kaisers Zeiten: die Bäderarchitektur mit ihren filigran-verspielten Elementen
Dabei knüpfen sie an eine alte Tradition an – schließlich wurde der Badeurlaub an der Ostsee in Mecklenburg „erfunden”. Großherzog Friedrich Franz I. bekam von seinem Leibarzt den Rat, im Meer zu baden. Königliche Hoheit sah sich um, der Heilige Damm gefiel ihm, und so entstand hier 1793 Deutschlands erstes Seebad und Doberan wurde die Sommerresidenz des Herzoghauses Mecklenburg-Schwerin. Badekuren und Strandurlaub kamen rasch in Mode, zumindest bei jenen, die das Geld dafür hatten. Gottverlassene Fischerdörfer mauserten sich zu eleganten Seebädern. Heutzutage boomt der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern. Tausende von Strandkörben hievt man jeden Sommer ans Meer, ersonnen hat den „aufrecht stehenden Wäschekorb”, wie seinerzeit spöttisch bemerkt, ein
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