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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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Brief an Hermann betreffs des Bauplatzes, da wurde ich durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Eintrat ein langer, sonnenverbrannter Mann im Tropenanzug, und als er den weißen Helm vom Kopf nahm, sah es so aus, als hätte der flammend rote Bart ihn im Gesicht verbrannt und ihm das Haar bis auf den blanken Kopf abgesengt. Der Kerl kam aus der Wildnis, aber zu Hause gehörte er in einen Lehrsaal.
    Bengt Danielsson, dachte ich.
    »Bengt Danielsson«, sagte der Mann und hatte sich damit vorgestellt.
    Er hat wohl von unserem Floß gehört, dachte ich und bat ihn Platz zu nehmen.
    »Ich habe gerade von Ihren Reiseplänen gehört«, sagte der Schwede.
    Und jetzt kommt er als Fachethnologe daher, um meine Theorie niederzusäbeln, dachte ich. Aber da sagte der Schwede ganz friedlich: »Und jetzt komme ich, Sie zu fragen, ob Sie mich mitnehmen wollen. Ich bin an der Wanderungstheorie interessiert.«
    Ich wußte nicht mehr von dem Mann, als daß er Wissenschaftler war und daß er direkt aus dem finsteren Dschungel daherkam. Aber wenn ein einzelner Schwede mutig genug war, sich mit fünf Nordleuten auf ein Floß zu begeben, so konnte er nicht von Pappe sein. Und selbst der imponierende Bart konnte das friedliche Wesen und den guten Humor des Mannes nicht verbergen.
    Bengt wurde der sechste im Bunde, denn der Platz stand ja noch offen. Und er war der einzige von uns, der Spanisch sprach.
    Als der Postflieger ein paar Tage später die Küste nach Norden brummte, sah ich von neuem respektvoll hinunter auf das endlose blaue Meer. Es sah aus, als würde es geradewegs in den Himmelsraum fließen. Dort unten, wo es so viel Wasser gab, daß es aussah, als wollte es über den Horizont überlaufen, würden wir demnächst zu sechst wie Mikroben auf einem Punkt vereinigt sein. Eine ganze, öde Welt würde uns umgeben, ohne daß wir uns auch nur ein paar Schritte voneinander entfernen konnten. Vorläufig hatten wir jedoch noch Spielraum genug. Hermann saß in Ecuador und wartete auf die Bäume. Knut Haugland und Torstein Raaby waren soeben im Flugzeug in New York gelandet. Erich Hesselberg saß auf einem Schiff von Oslo mit Kurs auf Panama. Ich selbst war mit dem Flugzeug unterwegs nach Washington, und Bengt saß im Hotel in Lima bereit und wartete auf die anderen.
    Keine zwei von den Burschen hatten einander früher gesehen, und alle waren in ihrem Typ restlos verschieden. Auf diese Art konnten nämlich einige Wochen auf dem Floß vergehen, bevor sie ihrer gegenseitigen Geschichten müde wurden. Keine Sturmwolke mit Tiefdruck und Unwetter lag drohender vor uns als die Gefahr eines psychischen Schiffbruchs, wenn sechs Mann monatelang auf ein treibendes Floß beschränkt waren. Hier war ein guter Witz oft ebenso wichtig wie eine Schwimmweste.
    In Washington gab es weiterhin beißende Winterkälte und hohen Schnee. Es war Februar, als ich zurückkam. Björn war auf das Radioproblem losgegangen und hatte mit Erfolg die amerikanischen Amateure interessiert, Rapporte und Meldungen des Floßes abzuhören. Knut und Torstein waren gerade dabei, die Verständigung vorzubereiten, die teils mit speziellen Kurzwellensendern vor sich gehen sollte, teils auch mit den Geheimsendern, wie sie die Sabotagekommandos während des Krieges gebrauchten. Tausend kleine und größere Dinge mußten bedacht werden, wenn wir das ausrichten wollten, was wir planten.
    Der Papierberg im Archiv wuchs. Militärische und zivile Schreiben auf weiß, gelb und blau, auf englisch, spanisch, französisch und norwegisch. In unserem praktischen Zeitalter kann selbst eine Floßreise die Papierindustrie eine halbe Fichte kosten. Gesetze und Verfügungen banden uns an allen Ecken und Enden, und Knoten um Knoten mußte der Reihe nach gelöst werden.
    »Möchte schwören, daß die Korrespondenz zehn Kilo wiegt«, sagte Knut ergeben eines Tages, als er wieder an der Schreibmaschine hing.
    »Zwölf«, sagte Torstein trocken, »ich hab' sie gewogen.«
    Meine Mutter muß eine klare Vorstellung von den Verhältnissen in diesen dramatischen Vorbereitungstagen gehabt haben, als sie schrieb: ». ..und ich wünsche jetzt nur, ich wüßte, daß ihr alle sechs sicher an Bord des Floßes beisammen seid!«
    Da kam ein Eiltelegramm von Lima. Hermann war von der Brandung an Land geschleudert worden und lag häßlich zusammengerichtet mit ausgerenktem Hals im Krankenhaus Lima in Behandlung.
    Torstein Raaby wurde mit Gerd Vold, unserer populären Sportsekretärin aus den Londoner Kriegstagen, die

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