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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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eingruben, wurde uns klar, daß wir in den reißendsten Teil des Humboldtstroms gekommen waren. Hier wirkte die Strömung und nicht nur der Wind. Das Wasser war grün und kühl und umgab uns auf allen Seiten. Die zackigen Berge Perus waren in den dichten Wolkenbänken hinter uns versunken. Als sich die Dunkelheit über das Meer senkte, begann unser erster Zweikampf mit den Elementen. Noch waren wir unsicher auf See, noch war es gänzlich ungewiß, ob sie sich als Freund oder Feind j ener engen Gemeinschaft zeigen würde, die wir selbst gesucht hatten. Als wir im Dunkel der Nacht hörten, wie das Heulen des Meeres rund um uns plötzlich von dem Dröhnen eines nahenden Wogenrückens übertönt wurde und ein weißer Kamm in der Höhe des Hüttendaches auf uns zukam, klammerten wir uns fest und warteten düsteren Sinnes, daß die Wassermassen über uns und dem Floß zusammenschlugen. Aber jedesmal erlebten wir dieselbe Überraschung und dieselbe Erlösung: »Kon-Tiki« wippte ruhig ein Ende in die Höhe und hob sich unangefochten in die Luft, während die Wassermassen am Floß vorbeirauschten. Dann sanken wir wieder in ein Wellental und warteten auf die nächste große See. Die größten kamen mit Vorliebe zwei und drei hintereinander, dann kam eine lange Reihe von kleineren. Aber wenn zwei große Wellen allzu dicht hintereinander liefen, dann brach die letzte über das Heck herein, während die erste noch den Bug in die Höhe hob.
    Es war daher unverbrüchliches Gesetz, auf Steuerwache ein Tau um den Leib zu haben, dessen anderes Ende am Floß befestigt war, denn es gab keine Reling. Auftrag war, den Achtersteven gegen See und Wind zu wenden und geradewegs aufs Meer zu halten. Wir hatten einen alten Rettungsbootkompaß in einer Kiste achtern montiert, so daß Erich den Kurs kontrollieren und Position und Trift errechnen konnte. Vorläufig war es ungewiß, wo wir uns befanden, denn der Himmel war bewölkt und der Horizont ein einziges Wogenchaos. Zwei Mann zogen immer gleichzeitig auf Wache, und Seite an Seite brauchten sie all ihre Kraft im Kampf mit dem tanzenden Steuerruder, während die anderen in der offenen Bambushütte ein Auge voll Schlaf zu nehmen versuchten. Wenn eine schwere See kam, überließen die zwei die Steuerung dem Tauwerk, sprangen selbst empor und hängten sich an eine Bambusstange am
    Hüttenfirst, während die Wassermassen von achtern hervorzischten und zwischen den Stämmen und über die Seiten des Floßes abliefen. Dann mußten sie sofort wieder an das Ruder springen, bevor das Floß sich herumdrehte und das Segel umschlug. Denn hätte die nächste Woge das Floß von der Seite überrascht, dann hätte sie sich geradewegs in die Bambushütte hinein ergossen. Kam sie aber von achtern, so verschwand sie zwischen den auseinander gespreizten Stämmen so rasch, wie sie an Bord gekommen war, und reichte nur selten bis an unsere Hüttenwand heran. Der Vorteil eines Floßes war ganz offenkundig, denn je mehr Zwischenraum, desto besser. Durch die Spalten im Boden strömte das Wasser ab, aber niemals herein.
    Um zwölf Uhr nachts passierte ein Schiffslicht in nördlicher Richtung. Schlag drei passierte noch eins mit demselben Kurs. Wir winkten mit unserem kleinen Paraffinlicht und blinkten mit einer Taschenlampe, aber man sah uns nicht, und die Lichter glitten ruhig nach Norden ins Dunkel und verschwanden. Sie ahnten wohl kaum an Bord, daß hier ein quietschlebendiges Inkafloß lag und sich zwischen den Wellen hindurchraufen mußte. Und wir ahnten ebensowenig auf dem Floß, daß dies unser letztes Schiff und unsere letzte Begegnung mit Menschen gewesen war, bevor wir drüben auf der anderen Seite des Meeres ankamen.
    Wie Kletten klammerten wir uns in der Finsternis an das Steuerruder und spürten das frische Seewasser aus unseren Haaren rinnen. Das Ruder schlug uns vorn und rückwärts mürbe, und die Fäuste wurden steif in der Umklammerung. Das war eine harte Schule in den ersten Tagen, sie verwandelte uns rasch aus Landratten in Seebären. In den ersten Tagen wechselte jeder Mann unaufhörlich zwischen zwei Stunden Steuerwache und drei Stunden Ruhe. Wir hatten es so eingerichtet, daß jede Stunde ein frischer Posten kam und den ablöste, der schon zwei Stunden gestanden war. Jeder Muskel im Körper war während der Wache bis zum äußersten angespannt, um einigermaßen die Steuerung zu bewältigen. Wenn wir vollständig erschöpft waren vom Drücken des Ruders, so gingen wir auf die andere Seite hinüber

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