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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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Bord. Es sank ruhig unter die Oberfläche und verschwand langsam hinunter in die Tiefe. Später beobachtete ich, wie verschiedene von den anderen genau dasselbe taten, wenn sie meinten, daß keiner zusah. Dann standen sie und sahen andächtig dem wasserschweren Splitter nach, der ruhig in dem grünen Wasser verschwand.
    Als wir starteten, hatten wir die Wasserlinie des Floßes markiert, aber in der unruhigen See war es unmöglich, festzustellen, wie tief wir lagen, denn bald waren die Stämme ganz aus dem Wasser gehoben, bald tauchten sie tief hinein. Aber wenn wir ein Messer in das Holz stießen, so sahen wir zu unserer Freude, daß es etwa einen Zoll unter der Oberfläche trocken zu werden begann. Wir rechneten aus: Wenn das Wasser in derselben Geschwindigkeit weiter eindrang, so würde das Floß erst in der Zeit eben unter der Wasserfläche verschwinden, in der wir auch rechnen konnten, uns dem Lande zu nähern. Aber wir hofften, daß der Saft weiter drinnen als Imprägnierung wirken und damit die Wasseraufnahme bremsen würde. Aber noch eine andere Gefahr spukte während der ersten Wochen ein wenig in unseren Hirnen: das Tauwerk. Bei Tag waren wir so beschäftigt, daß wir wenig darüber nachdachten, aber wenn die Dunkelheit einbrach und wir in unsere Kojen auf den Hüttenboden krochen, bekamen wir mehr Zeit, nachzudenken, zu fühlen und zu horchen. Da lagen wir dann, jeder auf seinem Strohsack, und konnten spüren, wie die Binsenmatte im Takt mit den großen Stämmen unter uns auf und nieder ging. Außer den Bewegungen des ganzen Floßes verschoben sich alle Bohlen auch untereinander, wenn die eine emporstieg, sank die andere in ruhig wogender Bewegung hinab. Sie bewegten sich nicht viel, aber es genügte, daß man sich wie auf dem Rücken eines großen, atmenden Tieres liegen fühlte, und wir zogen es vor, in der Längsrichtung eines Stammes zu liegen. Die ersten zwei Nächte waren die schlimmsten, aber damals waren wir zu müde, um uns darum zu scheren. Später quollen die Taue im Wasser auf und hielten die neun Stämme mehr in Ruhe. Aber es war trotzdem nie ein Stückchen an Bord, das sich in Bezug auf seine Umgebung ganz ruhig verhielt. Wie sich die Unterlage in ihren Gelenken bewegte und verschob, so folgte alles andere mit, das Bambusdeck, der Doppelmast, die vier geflochtenen Wände der Hütte und das Sprossendach mit den Blättern darauf, alles war nur zusammengebunden und drehte und hob sich in entgegengesetzten Richtungen. Es war fast unmerklich, aber deutlich genug: Ging das eine Eck empor, dann ging das andere hinunter, und drehte die eine Hälfte des Daches alle Sprossen nach vorn, so drehte die andere Hälfte die ihren nach hinten. Sahen wir durch die offene Seite hinaus, so gab es noch mehr Leben und Bewegung, denn da drehte sich der Himmel ruhig im  Kreise, während das Wasser hoch in die Luft sprang. Das Tauwerk hatte den ganzen Druck auszuhalten. Während der Nacht konnten wir es knirschen und kreischen, knacken und schreien hören. Es war wie ein einziger Klagechor im Dunkel, wobei jedes Tau mit seiner Stimme verkündete, wie belastet es war und wie stramm es saß. Jeden Morgen nahmen wir eine gründliche Untersuchung der Taue vor. Wir ließen uns kopfüber über die Floßkante ins Wasser hinab, wobei zwei Mann uns krampfhaft an den Knöcheln festhielten, um zu sehen, ob die Taue auf der Unterseite des Floßes in Ordnung waren. Aber das Tauwerk hielt. Vierzehn Tage, hatten die Seeleute gesagt, dann sollten alle geborsten sein. Gleichwohl fanden wir vorläufig nicht das geringste Zeichen einer Auflösung trotz des ganzen Konzerts. Erst weiter draußen auf dem Meer fanden wir die Erklärung dafür: Das Balsaholz war so weich, daß das Tauwerk sich langsam ins Holz schnitt und so geschützt wurde, statt daß die Taue zwischen den Stämmen zerrieben wurden.
    Nach acht Tagen bekamen wir ruhigere See und merkten, daß die Farbe des Meeres blau statt grün geworden war. Wir begannen Westnordwest zu treiben statt genau nach Nordwesten. Das galt uns als erstes schwaches Zeichen, daß wir aus der Küstenströmung herausgekommen waren. Damit hatten wir Hoffnung, direkt auf den Ozean getrieben zu werden.
    Schon am ersten Tag, an dem wir allein dem Meer überlassen wurden, hatten wir Fische um das Floß beobachtet, aber wir waren zu sehr mit der Steuerung beschäftigt, um ans Fischen zu denken. Am nächsten Tag kamen wir mitten in einen dichten Sardinenschwarm, und kurz danach kam ein acht Fuß langer

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