Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
gläserne Berg selbst uns nur in die Höhe hob und wimmernd und gluckernd unter dem Floßboden dahinrollte. Die alten Meister aus Peru wußten genau, was sie taten, als sie einen hohlen Schiffsrumpf vermieden, der sich mit Wasser füllen konnte, wie auch ein Fahrzeug, das so lang war, daß es nicht über eine Welle nach der anderen reiten konnte. Eine Dampfwalze aus Kork, das war der widerspruchsvolle Effekt unseres Balsafloßes.
Erich nahm unsere Position an der Sonnenhöhe, und wir fanden, daß wir zusätzlich zur Segelfahrt eine gewaltige Abtrift längs der Küste nach Norden hatten. Wir lagen noch im Humboldtstrom, der hier etwa hundert Seemeilen vom Lande dahinzieht. Das große Spannungsmoment bestand darin, wie wir in den unsicheren Stromwirbeln südlich der Galapagos weiterkommen würden. Es konnte schicksalsschwere Folgen haben, denn hier droben konnten wir von kräftigen Meeresströmungen nach allen Richtungen, selbst gegen die Küste von Mittelamerika gefegt werden. Aber ging es wie berechnet, so würden wir mit dem Hauptstrom nach Westen über das Meer treiben, bevor wir die Flöhe der Galapagos erreichten.
Der Wind blies weiterhin genau von Südosten. Wir hißten das Segel, bekamen endlich das Floß mit dem Heck in den Wind und setzten die Steuerwachen fort.
Knut hatte nun endlich die Qualen der Seekrankheit überstanden. Mit Torstein zusammen kletterte er in die schwingende Mastspitze, wo sie mit mysteriösen Radioantennen experimentierten, die sie einmal mit einem Ballon, dann wieder mit Drachen in die Luft steigen ließen. Plötzlich rief einer aus dem Radioverschlag, daß er die Marinestation in Lima höre, die nach uns rief. Sie verständigte uns, daß das Flugzeug des amerikanischen Gesandten von der Küste her unterwegs sei, um uns ein letztes Lebewohl zu sagen und um zu sehen, wie wir uns draußen auf dem Meere ausnahmen. Kurz darauf bekamen wir direkten Kontakt mit dem Funker an Bord des Flugzeugs und wenig später ein zweifellos unerwartetes Zwiegespräch mit der Sekretärin der Expedition, Gerd Vold, die an Bord war. Wir gaben unsere Position so genau wie möglich und sendeten stundenlang Peilungssignale, und die Stimme im Äther wurde stärker oder schwächer, je nachdem ARMY-119 näher oder ferner kreiste und suchte. Aber wir hörten die Maschine nie und sahen ebensowenig das Flugzeug. Das niedrige Floß zwischen den Wellenkämmen zu suchen, war nicht so leicht, und unser eigener Ausblick war zu sehr begrenzt, zum Schluß mußte der Flieger aufgeben und wendete zurück zur Küste. Es war dies das letzte Mal, daß jemand nach uns suchte.
In den folgenden Tagen ging die See hoch, aber die Wellen kamen zischend genau in Reih und Glied von Südosten, und die Steuerung ging bedeutend leichter. Wir nahmen jetzt See und Wind schräg von achtern gegen die Backbordseite, so nahm der Steuermann weniger Wellen über, und das Floß lief ruhiger, ohne sich zu drehen. Wir konstatierten mit Spannung, daß der Südostpassat und der Humboldtstrom uns mit jedem Tag näher an die Wirbel um die Galapagosinseln herantrieben. Und so rasch ging es genau nach Nordwesten, daß unser täglicher Durchschnitt in diesen Tagen bei 55 bis 60 Seemeilen lag, mit einem Rekord von 71 Seemeilen oder über 130 Kilometern an einem einzigen Tag.
»Ist es schön auf den Galapagos?« fragte Knut vorsichtig eines Tages und zeigte auf unsere Karte, wo eine Perlenschnur von Positionen vermerkt war. Die entstandene Figur glich einem Finger, der hämisch auf die verhexten Inseln deutete.
»Kaum«, sagte ich, »der Inka Tupac Yupanqui soll knapp vor der Zeit des Kolumbus von Ecuador nach den Galapagos gefahren sein, aber weder er noch irgendein anderer Eingeborener ließen sich wegen des Wassermangels dort nieder.«
»O. k.«, sagte Knut, »so kommen wir, zum Teufel, hoffentlich auch daran vorbei.«
Wir hatten uns jetzt so daran gewöhnt, daß uns das Meer umschäumte, daß es uns nichts mehr ausmachte. Was hieß es schon, wenn wir ein wenig herumtanzten, tausend Faden Wasser unter uns, solange wir und das Floß ständig obenauf waren. Nur daß hier die nächste Frage auftauchte: Wie lange konnten wir damit rechnen, uns zuoberst zu halten? Es war leicht zu sehen, daß die Balsastämme Wasser zogen. Der letzte Querbalken war schlimmer als die anderen, wir konnten hier die ganze Fingerspitze in das schwammige Holz drücken, so daß das Wasser herausfloß. Insgeheim brach ich ein Stück des durchtränkten Holzes los und warf es über
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