Kopf hoch, Freddie
der Ferien in Tainui ständig an ihrer Seite zu haben, war das eine große Enttäuschung.
Als sie ihm schüchtern vorgeschlagen hatte, er solle mit ihnen gemeinsam Mrs. Standish abholen, hatte er lächelnd den Kopf geschüttelt. »Mein liebes Kind, um diese Zeit habe ich Sprechstunde. Ich werde in ein paar Tagen vorbeikommen und meine Aufwartung machen.«
Freddie hatte es gar nicht gefallen, daß er sie »mein liebes Kind« nannte. Sie hatte sich geschworen, daß von nun an jeder Schritt von Jonathan ausgehen solle. Und doch war es ein harter Schlag, wenn man sich in dem Glauben gewiegt hatte, die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Immer wieder ließ sie die Ereignisse der Wochen in Tainui Revue passieren und kam schließlich zu der Einsicht, daß Jonathan vielleicht bloß den lieben großen Bruder für ein sehr unerfahrenes Schulmädchen abgegeben hatte.
Doch in diesem Augenblick brütete sie keineswegs über solchen Problemen. Ihre Augen hingen wie gebannt an dem Flugzeug, dem jetzt eine hochgewachsene schöne Frau entstieg; sie kam die Gangway herunter. Neben Freddie sagte eine Männerstimme: »Du lieber Himmel, wer ist denn das? Ein Filmstar etwa?«
Eine zweite Stimme rief: »Wundervoll — und so viel Haltung. Wer kann das nur sein?« Die zweite Stimme gehörte einer Dame. Diese blickte umher, bemerkte Freddies Aufregung, sah, daß sie der eleganten Erscheinung auf der Rollbahn galt, und sagte zu Freddie: »Ach, entschuldigen Sie. Offenbar Ihre Schwester. Und wir dachten, es wäre ein Star, der inkognito unser ödes kleines Städtchen beehrt. Sie sehen einander zum Verwechseln ähnlich.«
Freddie strahlte, aber Angela bemerkte trocken: »Es ist unsere Mutter, nicht unsere Schwester.« Die zwei Fremden starrten sie offenen Mundes an. »Ihre — Ihre Mutter? Aber sie sieht doch keinen Tag älter aus als dreißig?«
»Nein. Sie hat niemals älter ausgesehen und wird es auch wahrscheinlich nie«, entgegnete Angela, trat vor und beendete damit die Unterhaltung ziemlich plötzlich.
Freddie bedauerte dies. Die zwei waren so begeistert gewesen, und wenn sie ihrer Mutter so stark ähnelte, mußte auch sie schön sein. Sie lächelte den beiden strahlend zu und sagte: »Sie war zwei Jahre lang weg. Sie kommt eben aus Irland, weil sie sich von Vater scheiden lassen will.«
Angela drehte sich verärgert um. »Freddie, komm schon. Mutter kommt gleich heraus. Der Zoll wird sie nicht lange aufhalten.«
»Wie immer. Sie schenkt den Beamten ein Lächeln, und sie lassen ihre Sachen ungehindert passieren. Eigentlich könnte sie Riesenladungen an Geschenken mitbringen, nur denkt sie nie daran. Aber vielleicht hat sie sie diesmal nicht vergessen.«
Angela lächelte mit einer Spur Ingrimm. Mutter dachte regelmäßig so lange nicht an Geschenke, bis es zu spät war, und dann waren ihre Koffer bereits so angefüllt mit ihren hübschen Kleidern, daß für anderes wenig Platz blieb. Insgeheim hegte Angela den Glauben, Mutter vergesse, während sie es sich in Irland gut gehen ließ, völlig, daß sie im fernen Neuseeland vier erwachsene Kinder hatte. Na, jedenfalls war Alicia keine große Geberin. Sie sagte immer, daß der »elende Bettel« — ihre Bezeichnung für die hübsche Rente, die Maxwell Standish ihr ausgesetzt hatte — kaum ausreiche, Leib und Seele zusammenzuhalten.
»Ich erwarte mir im Hinblick auf Geschenke nichts Aufregendes. Wie üblich wird sie sagen: >Meine Lieben, wenn ich nur Platz gehabt hätte< oder: >Liebe Schätzchen, ich wünschte, ich hätte das Geld<, und dann zeigt sie uns ihre schönen neuen Sachen.«
»Angela, du bist Mutter gegenüber nicht fair. Wahrscheinlich deswegen, weil du immer Vaters Liebling gewesen bist. Schließlich kann sie nichts dafür, wenn...«
Wofür Mrs. Standish nichts konnte, blieb ungesagt, denn in diesem Augenblick kam sie durch die Tür, und Freddie stürzte ihr mit einem kleinen Schrei der Erregung entgegen. Angela seufzte.
Mutter wollte offenbar ihre wohlbekannte Faszination auf ihre jüngste Tochter wirken lassen.
Jetzt standen sie Seite an Seite, Mutter und Tochter. Mancher Blick aus der Schar der Wartenden blieb an ihnen hängen. »Erstaunlich«, rief eine Frau aus, und ein Mann bemerkte: »Wie Zwillinge. Die Elegante ist natürlich die Ältere.« Mrs. Standish hörte es, und ihr gewinnendes Lächeln wurde noch wärmer. Diese Tochter war sehr schön. Wie wohltuend, daß man sie für Schwestern hielt, auch wenn sie sich in diesem Fall mit der Rolle der Älteren
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