Kopf Unter Wasser
möge.
Henry willigte ein, nicht des Vorschusses wegen, den ihm der Verleger bei ihrem ersten Treffen nebenbei in Aussicht stellte, sondern weil er sich geschmeichelt fühlte.
Nachdem er den Vertrag unterzeichnet hatte, rief er Bettina an, um sich gratulieren zu lassen. Wegen des Buches werde ihm natürlich die Zeit fehlen, sie ein weiteres Mal zu besuchen, falls das nach dem Artikel überhaupt noch infrage komme.
Bettina sagte, dass sie seine Zeitnot verstehe, bat ihn aber dennoch um einen kleinen Aufsatz für den Katalog, der Henry, als er ihn dann fertig hatte, reichlich uninspiriert vorkam. Die Assoziationen zu Bettinas Arbeiten wirkten an den Haaren herbeigezogen und die kunstphilosophischen Verweise wichtigtuerisch. Es war routiniertes Blendwerk, aber Bettina schwärmte am Telefon, und angesteckt von ihrer Freude, gab sich auch Henry zufrieden.
Anfang Herbst dann kam sie nach Berlin zurück. Im Kofferraum ihres Kombis lagen stapelweise die frisch gedruckten Kataloge, die sie in den folgenden Tagen mit mäÃigem Erfolg versuchte, in Kunstbuchhandlungen auf Kommissionsbasis zu platzieren. Eine der gröÃten immerhin, in Charlottenburg gelegen, nahm ihr drei Exemplare ab.
Schon eine Woche nach ihrer Rückkehr war das gemeinsame Leben, das Leben als Paar, wieder so wie vor dem Stipendium. Bettina ging am frühen Morgen ins Atelier, Henry kochte das Abendessen und reichte ihr ein Glas Wein an der Wohnungstür, und nur wenn er länger darüber nachdachte, was er da tat, kam es ihm seltsam vor, spieÃig. Ansonsten bastelte er an seinen Kolumnen und fand allmählich auch in den Schreibrhythmus des Buches hinein.
Eines Nachmittags Ende September, Henry war gerade dabei, die Gewürze für ein Curry zu rösten, hörte er jemanden die Treppe heraufrennen. Dann klingelte es Sturm an der Tür. Er stellte den Gasherd ab und sah auf die Uhr. DrauÃen stand Bettina und lachte ihn an. Sie drückte ihm wortlos eine Flasche Champagner in die Hand, warf ihre Tasche in die Ecke und lief ins Wohnzimmer. Henry legte die Flasche ins Eisfach und stellte den Herd wieder an. Eine Sekunde später dröhnte ein Siebzigerjahre-Schlager aus dem Wohnzimmer, zu dem Bettina lauthals mitsang: The winner takes it all.
Obwohl er nicht wusste, was genau es zu feiern gab, legte Henry das silberne Besteck auf, das Teil von Bettinas Aussteuer war. In einem Anfall von Resignation, angesichts Bettinas Unwillen, über Familienplanung nachzudenken, hatte ihr die Mutter das Besteck eines Tages einfach mitgebracht, lieblos verstaut in einer gebrauchten Supermarkttüte. Während Henry die Servietten auf dem Küchentisch arrangierte, telefonierte Bettina im Wohnzimmer mit ihren Eltern. Sie lachte, sie war ausgelassen. Erst beim Essen, nachdem sie geduscht und sich umgezogen hatte, erzählte sie, was passiert war, und während sie erzählte, überlegte Henry, dass bei der Schärfe des Currys der Geschmack des Champagners verschwendet war.
Einer der bedeutendsten Kunstvereine des Landes, beheimatet in einer badischen Kleinstadt, hatte Bettina angeboten, eine Einzelausstellung zu bestreiten, ihre erste. Der Kurator des Kunstvereins, befreundet mit der Direktorin der Villa, war eigens wegen der Stipendiatenausstellung ins Rheinland gereist. Am Abend im »Amarcord«, als Künstler und Offizielle bei Wein und Antipasti zusammensaÃen, hatte er sich Bettina vorgestellt und ihre Installation in der ehemaligen Schwimmhalle als interessanteste Arbeit des Jahrgangs bezeichnet. Nachdem die Reste des Desserts abgetragen worden waren, bot er ihr das Du an und bestand auÃerdem darauf, dass sie die Visitenkarten tauschten.
Dieser ersten Begegnung folgte ein reger E-Mail-Austausch, und heute nun hatte der Kurator, ein älterer Herr mit konservativen Manieren, der bis zu seiner Pensionierung eine staatliche Kunstsammlung geleitet hatte, die Zustimmung des Vorstands verkünden können. Neben einer langen Mitgliederliste und einem Budget, von dem andere Kunstvereine nur träumten, verfügte er über diverse Räumlichkeiten, die Bettina bei einer ersten Ortsbegehung in Augenschein nehmen sollte. An einem der Orte würde sie präsentieren dürfen, was immer sie wollte, ohne Einschränkungen und ohne Auflagen. Neben dem Renommee, das ihr die Ausstellung bringen würde, gab es eine nicht unerhebliche Aufwandsentschädigung.
Eine badische Kleinstadt , dachte Henry,
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