Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld
insgeheim eine Schwäche für sie. Es gab kaum jemanden, der so offen und ehrlich war wie Kate. Sie sah David Moore an, als sei er ein ekliges Insekt.
»Sie hatte sich gerade einigermaßen beruhigt«, sagte sie.
»Hat sie irgendwas darüber gesagt, was passiert ist?«, fragte Kovac.
Kate schüttelte den Kopf, während sie mit verschränkten Armen auf ihn zutrat. Kovac kannte den Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie war wütend. Er fragte sich, wie viel Carey ihr über die Probleme in ihrer Ehe anvertraut hatte.
»Sie hat kein Wort gesagt«, erwiderte Kate leise. »Ich glaube auch nicht, dass sie in nächster Zeit darüber redet.«
»Meinst du, dass sie die Entführung mitbekommen hat?«
»Zum Teil sicherlich. Sie hat furchtbare Angst. Sie ist jedenfalls nicht einfach nur aufgewacht und hat festgestellt, dass niemand zu Hause ist.«
»Wir müssen herausfinden, was sie weiß«, sagte Kovac. »Und ich will nicht, dass Moore in der Nähe ist, wenn wir ihr diese Fragen stellen. Um genau zu sein, will ich nicht, dass Moore überhaupt in ihrer Nähe ist.«
»Ich auch nicht«, sagte Kate. »Aber er ist ihr Vater. Und was immer sonst David auch sein mag, darin ist er gut. Ich bin sicher, dass Lucy bei ihm bleiben will.«
Kovac sah Dawes an. »Wie sollen wir eine Antwort aus ihr herausbekommen, wenn Moore hier ist? Er steht auf der Liste der Verdächtigen an erster Stelle.«
»Wir dürfen ein Kind nicht befragen, wenn kein Elternteil oder Betreuer anwesend ist«, sagte Dawes stur.
»Sollte David nicht hierbleiben, für den Fall, dass eine Lösegeldforderung eingeht?«, fragte Kate.
»Klar«, sagte Kovac.
Sie nickte und ging zu Moore, der seine weinende Tochter in den Armen hielt und hin und her wiegte. Sie kniete sich neben ihn und sagte leise: »David, hier wird es heute den ganzen Tag wie im Irrenhaus zugehen, vielleicht sogar noch länger. Ich weiß, dass dich die Polizei hier braucht, falls die Entführer anrufen. Was hältst du davon, wenn ich Lucy mit zu mir nehme? Bei uns ist sie in einer sicheren, vertrauten Umgebung. Vielleicht kommt sie sogar ein bisschen zur Ruhe.«
Kovac sah Dawes mit schief gelegtem Kopf an. »So kann man's auch machen.«
»Wie denn noch?«
»Ihm in den Arsch treten.«
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»Er hat sich mit keinem Wort nach seiner Frau erkundigt«, maulte Kovac. »Er konnte nicht wissen, ob sie nicht im Keller ist, ausgehöhlt wie ein Kürbis an Halloween. Wenn er unschuldig wäre, würde er dann nicht wenigstens ein bisschen Besorgnis zu erkennen geben?«
»Unschuldig?«, sagte Liska. »Wie wär's einfach nur mit anständig?«
»Wie wär's mit menschlich?«, gab Kovac zurück.
Die Sonderkommission hatte sich im Esszimmer der Moores versammelt, die jüngsten Geschehnisse hatten einen Standortwechsel mit sich gebracht. Da Dawes und Kovac sich bereits am Tatort befunden hatten, um sich um das Chaos zu kümmern, war es als das Einfachste erschienen, wenn der Rest des Teams zu ihnen kam.
Der Raum war nicht im Entferntesten mit der Kommandozentrale im Präsidium zu vergleichen. Statt des billigen Teppichbodens, weißer Wände und langer Tische, die unter Aktendeckeln und Aufzeichnungen verschwanden, Antiquitäten, Mahagoni, Porzellan, Kristall. Es sah hier aus wie auf einem Foto in einer Zeitschrift für Wohndekor. Offenbar benutzte die Familie diesen Raum nur selten.
David Moore saß zusammen mit einem Abhörspezialisten auf der anderen Seite des Hauses im Arbeitszimmer und wartete auf den Anruf der Entführer, mit dem niemand wirklich rechnete.
Lieutenant Dawes sah Kovac warnend an. »Reißen Sie sich am Riemen, Detective.«
»Was denn?«, gab Kovac barsch zurück, während er an einem Ende des Tisches auf und ab ging. »Er ist ein Verdächtiger, auch wenn wir wissen, wo er sich letzte Nacht aufgehalten hat. Er kann von Belästigung faseln, so lange er will. Das ändert nichts an der Tatsache, dass bei einer Entführung die Ermittlungen immer in zwei Richtungen geführt werden: innerhalb der Familie und außerhalb der Familie.«
»Ich weiß, wie man eine Ermittlung führt«, sagte Dawes. »Aber Sie werden nicht derjenige sein, der ihn unter Druck setzt.«
»Warum nicht?«, fragte Kovac. »Ich bin derjenige, der ihm von Anfang an auf die Zehen gestiegen ist. Ich habe ihn sowieso schon ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Es braucht nicht mehr viel, um ihm den Rest zu geben. Wenn er die Beherrschung verliert, verrät er sich vielleicht. Er ist nicht schlau genug, um einen kühlen Kopf zu
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