Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld
sie an, sog tief den Rauch ein und blies ihn Bobby Haas haarscharf am Gesicht vorbei. »Machen wir immer so.«
Liska funkelte ihn ärgerlich an, dann wandte sie sich wieder dem Jungen zu. »Wir wissen, was ihr beiden, du und dein Vater durchgemacht habt, Bobby. Es tut mir leid, dass wir dir diese Fragen stellen müssen, aber daran lässt sich nichts ändern. Wir müssen allen Möglichkeiten nachgehen, so wie es damals nach den Morden geschehen ist – was schließlich dazu geführt hat, dass wir Karl Dahl geschnappt haben.«
Der Junge schüttelte den Kopf, sah weg, sah sie wieder an. »Und wohin hat das geführt? Toll.«
»Wir brauchen die Daten von deinem Freund«, sagte Kovac, mittlerweile merklich ungeduldig. »Lass uns mit dem Namen anfangen. Ich denke nicht, dass seine Eltern ihn Stench getauft haben.«
»Jerome Walden«, sagte Bobby Haas widerwillig. »Wir haben nichts getan.«
»Dann brauchst du dir ja auch keine Sorgen zu machen. Aber du verstehst bestimmt, warum wir dich das fragen müssen«, fuhr Liska ruhig fort. »Wir müssen mit allen Leuten reden, die Grund haben, wütend auf Richterin Moore zu sein. Und ob es dir nun passt oder nicht, dazu gehören nun mal auch du und dein Vater.«
»Wir stellen also ein paar Fragen, und damit ist der Fall erledigt«, sagte Kovac. »Vorausgesetzt, du hast nichts damit zu tun.«
»Wir haben nichts angestellt!«
Liska warf Kovac einen finsteren Blick zu. »Musst du nicht ein paar Anrufe erledigen?«
Kovac verzog das Gesicht, warf die Zigarette auf die abgetretenen Verandadielen und trat sie mit der Fußspitze aus. Er bedachte Bobby Haas mit einem letzten ungerührten Blick. »Weiber. Was soll man da machen?«
Dann verließ er die Veranda und ging zu der neuesten Schrottmühle, die ihnen aus dem Fuhrpark der Polizei zur Verfügung gestellt worden war. Er setzte sich hinters Lenkrad und wartete.
Sie waren übereingekommen, dass Liska den Jungen übernehmen sollte. Selbst mit siebzehn war ein mutterloser Junge genau das: ein Junge. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich Liska gegenüber öffnete und weniger auf der Hut war, war größer. Wenn er seine Wut und seinen Kummer an Richterin Moore ausgelassen hatte, würde er bei einer Frau, die ihm Mitgefühl und Verständnis entgegenbrachte, wahrscheinlich eher Schuldgefühle empfinden.
Kovac dachte an Carey Moore, die in ihrem luxuriösen Schlafzimmer auf der anderen Seite der Stadt im Bett lag. Die Brutalität, mit der sie zusammengeschlagen worden war, legte kein normaler Taschendieb an den Tag. Schlag zu und hau ab war das Motto, nach dem die handelten. Eins auf die Rübe und ab mit der Beute. Warum sich unnötig lange aufhalten?
Hinter diesem Überfall steckte Wut.
Liska gab Bobby ihre Karte, tätschelte seinen Arm und stieg die Verandatreppe hinunter.
Kovac ließ den Motor an.
»Was meinst du?«, fragte er, als sie den Sicherheitsgurt schloss und laut seufzte.
»Ich meine, ich will nach Hause zu meinen Jungs.«
10
Dahl kauerte sich in sein Versteck und kaute auf einem Stück kalter Pizza herum. Das Schlucken tat noch weh, nachdem er im Gefängnis so brutal gewürgt worden war, aber er brauchte Kraft, und deswegen musste er etwas essen.
Sein ganzer Körper schmerzte, besonders sein Kopf, den der Nazi immer und immer wieder gegen die Eisenstäbe gedonnert hatte. Die Wunde fühlte sich irgendwie matschig an, Klumpen aus Hautfetzen und geronnenem Blut. Sein Kopf dröhnte, vielleicht hatte er sogar einen Schädelbruch. Aber er lebte und war frei, und das war alles, was zählte.
Er versteckte sich nicht das erste Mal in einem Müllcontainer. In Müllcontainern war es selbst in kalten Nächten warm, man musste nur den Gestank ertragen können – und es durften keine Ratten darin sein. Wenn die Leute den Tag über genug Müll hineingeworfen hatten, konnte man sich sogar ganz anständig zudecken.
Genau genommen kam ihm der Geruch im Grunde sogar entgegen. Wenn die Polizei mit Hunden nach einem suchte und irgendein Kleidungsstück hatte, das nach einem roch, dann war man erledigt. Aber wenn man eine Zeit lang zwischen halb aufgegessener Pizza, zerbrochenen Eierschalen, Kaffeesatz und Essensresten aus einem Restaurant saß, dann überdeckte das den eigenen Körpergeruch ziemlich gut. Gut genug, um die Hunde abzulenken, wenn er Glück hatte.
Er befand sich nur ein paar Häuser vom Krankenhaus entfernt, in einer Gasse hinter einem Restaurant, auf dessen Tageskarte an diesem Tag Leber mit Zwiebeln gestanden hatte.
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