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Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld

Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld

Titel: Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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ihm nur auf eine abstrakte Weise klar. Das einzige Gesetz, das er im Moment befolgte, lautete: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
    Das war seine Aufgabe, seine Mission. Die Schuldigen suchen und sie dafür büßen lassen, was Marlene Haas und den beiden kleinen Kindern geschehen war, weil sie zuließen, dass Karl Dahl damit davonkam. Als sollte ein Stück Scheiße wie Karl Dahl Rechte haben. Was war mit den Rechten der Opfer?
    Wenn der Rechtsstaat ihnen keine Gerechtigkeit widerfahren ließ, dann würde er das eben übernehmen. Das wäre seine letzte Tat auf Erden. Es gab keinen anderen Grund mehr weiterzuleben. Man hatte ihm seinen Beruf genommen, und etwas anderes hatte er nicht. Wenn er kein Polizist mehr sein konnte, dann war sein Leben vorbei.
    Im Grunde war das schon geschehen. Den Stan Dempsey, den die Leute einmal gekannt hatten, gab es nicht mehr, nicht, dass irgendwer jemals ernsthaft den Versuch unternommen hätte, sein wahres Wesen kennen zu lernen. Dieser Teil von ihm war jetzt verschlossen, so dass er einerseits wie betäubt war, andererseits aber wacher denn je.
    So fühlt es sich an, wenn man seinen Verstand verliert , dach
    te er, aber dieser Gedanke weckte keinerlei Empfindung bei ihm. Weder Angst noch Panik oder Verzweiflung.
    Kenny Scott, der Anwalt von Karl Dahl, wohnte in einem gewöhnlichen Haus in einem gewöhnlichen Viertel. Das Haus war dem von Dempsey nicht unähnlich, eine in den fünfziger Jahren erbaute Schuhschachtel, die genauso aussah wie alle anderen Schuhschachteln in der Nachbarschaft.
    Die Wacholderbüsche mussten wieder einmal geschnitten werden, und der Rasen machte einen erbärmlichen Eindruck, so als ob Scott ihn nie düngen oder vertikutieren würde. Stan-theman schüttelte den Kopf, als er den Pick-up ein Stück die Straße runter abstellte. Gärten bedurften der Pflege. Wenn jemand seinen Garten vernachlässigte, dann war das in seinen Augen ein Zeichen für Charakterschwäche. Allerdings hatte er schon vorher gewusst, dass es Kenny Scott an Charakter mangelte.
    Er stieg aus dem Pick-up, nahm eine kleine Tasche vom Beifahrersitz und ging auf Scotts Haus zu. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite spielten ein paar Jungen in einem Vorgarten Fußball. Sie schenkten Dempsey keine Beachtung. Neben einem Minivan, der in einer Einfahrt zwei Türen weiter von Scotts Haus stand, kämpfte eine Frau gerade mit einem Kinderwagen. Sie blickte nicht einmal auf, als er vorbeiging. Er war schon immer ein Mensch gewesen, den niemand zu bemerken schien. Das hatte ihm oft zum Vorteil gereicht.
    Er bog in die Einfahrt von Kenny Scotts Haus ein und ging zur Rückseite. Dort befand sich eine kleine betonierte Terrasse, auf der ein Grill, ein runder Tisch mit Glasplatte und einem Sonnenschirm, der aus dessen Mitte ragte, sowie vier Metallstühle mit grünen Kissen standen.
    Stan stellte seine Tasche auf dem Tisch ab, öffnete den Reißverschluss und nahm eine Pistole heraus. Kaliber . 22 : klein und leise. Viele Kriminelle glaubten, sie müssten mit großen Waffen herumlaufen. Totaler Blödsinn. Dabei ging es nur ums Ego.
    Idioten, die versuchten, sich mehr Gewicht zu verleihen. Eine 22 er war aus der Nähe sehr effektiv, verursachte keine hässlichen großen Wunden, machte wenig Lärm; außerdem konnte der Schütze sie ohne Probleme in der Hosentasche verschwinden lassen und sich einfach vom Tatort entfernen.
    Er zog den Reißverschluss der Tasche wieder zu, hängte sie sich quer über die Brust und schob sie nach hinten, damit sie ihm nicht im Weg war. Dann trat er zur Hintertür und klopfte.
    Drinnen hörte man einen Fernseher plärren. Kenny Scott sah sich ein College-Football-Spiel an. Stan Dempsey war seit jeher ein Anhänger von College-Football, insbesondere der Michigan Wolverines. Aber wie bei allem in seinem Leben wusste nur er davon, weil sich nie jemand die Mühe gemacht hatte, ihn danach zu fragen.
    Er klopfte noch einmal.
    Der Anwalt kam in die Küche, einen verwunderten Ausdruck im Gesicht. Stan sah ihn durch die Glasscheibe in der Tür. Scott blickte durch die Scheibe, noch immer verwirrt.
    »Detective …?«, sagte er, als er die Tür öffnete.
    »Herr Anwalt«, erwiderte Dempsey. »Dürfte ich Sie wohl eine Minute stören?«
    Scott wusste offenbar nicht, was er von dem überraschenden Besuch halten sollte, aber er trat einen Schritt zurück. Dem Polizisten konnte man trauen, soweit er wusste. Mr. Dempsey schob sich an ihm vorbei – und richtete die Pistole auf ihn!
    Scott sah ihn

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