KR159 - Ich kannte den Mörder
nicht zum Nachdenken kamen. Er griff nach der Karaffe, warf sie dem vermeintlichen Schützen vor die Mündung der Waffe, so daß der Bursche nicht mehr hätte treffen können, wenn er es wirklich auf einen von uns abgesehen hatte, und dann war er auch schon selber am Fenster. Ich kann nur sagen: Meine Bewunderung für diese blitzschnelle Reaktionsfähigkeit!«
Ich kümmerte mich nicht um das Gespräch, sondern holte in Ruhe und mit aller notwendigen Vorsicht mein Abendbrot nach. Dabei hörte ich, daß Hotcher sagte:
»Was gibt es da schon so groß zu bewundern? Es war doch das Natürlichste von der Welt, die Karaffe zu werfen, um den Kerl am Schießen zu hindern!«
Miß Schuman wandte sich kühl zu ihm und sagte:
»Sicher wären Sie im gleichen Falle noch viel schneller gewesen. Nur hätten Sie es vermutlich erst sechzehn Mal mit einem Regisseur probieren müssen.«
Ich schmunzelte. Dem arroganten Kerl gönnte ich diese versteckte Abreibung. Aber das Schmunzeln verging mir sehr schnell, als ich hörte, wie Miß Brook, die etwas verblühte Tänzerin von der Metropolitan Opera, mit ihrer heiseren Fistelstimme fragte:
»Aber wenn kein Mensch mit einer Pistole draußen im Garten war, wer hat denn dann geschossen?«
Verflixt! Daran hatte ich gar nicht gedacht.
»Ja eben!«, fiel der dicke Morris ein. »Wer hat geschossen, Mister Cotton?«
»Ich!« klang es vom Saaleingang her.
Wir starrten alle überrascht zur Tür. Phil und ich trauten unseren Augen nicht: in der offenen Tür stand Mister John B. High, der Chef des New Yorker Distriktes vom FBI. Unser Boß! Wir hatten uns gestern von ihm verabschiedet, nachdem er uns großzügig die eine Woche Urlaub gewährt hatte, damit wir der Einladung des dicken Morris Folge leisten konnten. Und hinter Mister High kam ein ganzes Aufgebot von G-men hereinmarschiert. Mir verschlug es fast die Sprache.
Der dicke Morris fragte brummend:
»Und wer sind Sie?«
Unser Chef zeigte sich wieder einmal von der liebenswürdigen Seite. Er verbeugte sich, holte seiner Dienstausweis hervor und überreichte ihn lächelnd dem Hausherrn.
»John B. High, Bundeskriminalpolizei«, sagte er dabei in seiner leisen, vornehmen Art. »Ich muß Sie leider stören, Mister Morris. Bitte, verargen Sie es einem geplagten Polizisten nicht, wenn er versucht, seine Pflicht zu tun.«
Der Filmstar aus Hollywood war bei Mister Highs Worten ziemlich blaß geworden. Ich sah es zwar, fand aber im Augenblick keine Zeit, darüber nachzudenken.
Mister Morris war von der Höflichkeit unseres Chefs entwaffnet und sagte freundlich:
»Kein Mensch wird es Ihnen übelnehmen, wenn Sie Ihre Pflicht tun, Mister High. Im Gegenteil: schließlich verdanken wir es unserer fabelhaften Bundeskriminalpolizei, daß das Gangsterwesen in den Staaten wenigstens auf ein erträgliches Maß reduziert wurde. Aber vielleicht sagen Sie uns erst einmal, welchem seltsamen Umstand wir die Ehre Ihres Besuches verdanken.«
»Gewiß«, lächelte Mister High. »Wir verfolgten mit Polizeibooten auf dem See ein Schmugglerboot, das anscheinend nach Kanada wollte. Nach einem Feuergefecht verloren wir das Boot leider für ein paar Minuten aus den Augen. Es besteht die Möglichkeit, daß die Banditen hier auf Ihrer Insel an Land gegangen sind, Mister Morris.«
Der Hausherr nickte verständnisvoll.
»Und jetzt möchten Sie gern meine niedliche Insel absuchen, wenn ich Sie recht verstehe?«
Mister High verbeugte sich lächelnd:
»Genau das ist unsere Absicht, Mister Morris. Wenn Sie es uns gestatten? Ohne Ihr Einverständnis können wir es nicht tun, denn einen Durchsuchungsbefehl haben wir natürlich nicht, weil wir ja nicht ahnen konnten, daß er notwendig sein würde.«
Ich biß mir auf die Unterlippe. Für mich stand einwandfrei fest, daß unser Boß dem Gastgeber ein Märchen auftischte, von dem aber auch nicht ein einziges Wort stimmte. Wenn ich nur gewußt hätte, um was es wirklich ging!
Morris war durch die Höflichkeit von Mister High in eine großzügige Stimmung geraten. Er machte eine lässige Gebärde und erklärte gönnerhaft:
»Man muß die Arbeit der Polizei unterstützen, wo man es nur kann. Selbstverständlich erteile ich Ihnen die Erlaubnis, meine Insel zu durchsuchen. Ich hoffe, daß Sie Erfolg haben werden.«
»Sie sind ein guter Bürger unseres Landes. Ich danke Ihnen«, sagte Mister High, der sich auf Leute wie Morris verstand. Und er hatte genau die richtige Tonart getroffen. Der fette Morris schwoll im Gefühl der
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