Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
hinzugeben. Mit einem entzückten Schrei packte er den Speer fester und trieb Nick noch schneller an, so dass sie etwas von dem Abstand zum König wieder wettmachten.
Endlich verriet das Geheul der Hunde, dass sie den Eber in die Enge getrieben hatten. Die Jäger eilten auf die Lichtung und brachten ihre Pferde auf einer Seite zum Stehen, wo sie sich bereit machten, abwechselnd das schnaubende Tier vor sich anzugreifen.
Die roten Augen des Ebers glühten in dem Gesicht mit der langen Schnauze und die wütenden Keiler waren groß und lang genug, um einen unvorsichtigen Hund darauf herumzuwerfen. Hoch aufgerichtetes, borstiges Haar war überall an seinem Leib und heißer Atem keuchte aus weit geöffneten Nüstern, als er verzweifelt nach einem Fluchtweg suchte. Hunde, Pferde oder Männer schnitten ihm alle Wege in die Freiheit ab und der Eber wurde immer wilder, als er sich darauf vorbereitete, die Blockade zu durchbrechen.
„Jetzt!“, rief Heinrich, wobei er den drei Bräutigamen zunickte, denen heute die Ehre zufiel, den ersten Speer zu werfen.
Lord Bartholomew legte seinen Speer an und vergrub die Hacken in den Flanken seines Pferdes. Es machte einen Sprung nach vorne, rannte krachend über die Lichtung und galoppierte mit fliegenden Hufen an dem Eber vorbei. Ein Umhang flatterte und dann – ein wohl gezielter Speer. Ein Fontäne von Blut sprang dem Ungetüm aus der Schulter und ein Jubelgeschrei kam von den übrigen Jägern.
Lord Richard folgte kurz darauf, verpasste das Tier mit seinem Speer zwar, konnte aber die aufheulende Bestie von dem Speer ablenken, den Dirick in der Hand hielt. Sein Wurf saß und der Eber erlitt eine weitere, vielversprechende Wunde an seinem Bauch.
Als Dirick Nick etwas abseits zum Halten brachte, beobachtete er, wie der Eber den Boden mit seinen Beinen zerwühlte, wo er sich zu einem hinterhältigen Angriff durch den Kreis aus Männern um ihn herum anschickte. Da hatte Dirick etwas Zeit, um über seine etwas wirre Erinnerung an Bons Warnung aus der Nacht zuvor nachzugrübeln.
Fragt Euch, warum Merle von Langumont nicht aus Breakston zurückgekehrt ist? Wenn er am Leben war, als Bon ihn zuletzt gesehen hatte, und er nicht beim Angriff auf die Burg erschlagen worden war, dann musste er den Tod aus der Hand eines anderen empfangen haben.
Michael and Victor d’Arcy?
Der Gedanke war ihm plötzlich in den Sinn gekommen, rasch gefolgt von der Frage nach dem Warum.
Ein Rufen von einem der Jäger riss Dirick aus seinen Gedanken und er sah, dass der Eber sich wieder auf die Beine kämpfte.
Ihr Vater.
Konnte Michael der Vater von Maris sein? Das würde Allegras seltsame Reaktion erklären, als sie die beiden auf Langumont begrüßt hatte. Ihm stellten sich die Haare im Nacken auf. Die Dinge begannen einen Sinn zu ergeben.
Dirick wandte sich Lord Bartholomew zu, der gerade begeistert zusah, wie dem Eber der letzte Speerstoß versetzt wurde. „Bart, was wisst Ihr über Lord Michael d’Arcy? Kann man ihm vertrauen?“
Der andere Mann drehte sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zu ihm um, als der Eber krachend auf die Seite fiel. „Redet Ihr vom Lord von Gladwythe? Fürwahr, der Mann hat etwas Seltsames an sich. Vielleicht ist es wegen dem Tod seiner Eltern ... sie so zu finden, würde jedem von uns den Verstand verdreht haben.“
„Was ist mit dem Tod seiner Eltern?“
Traurig schüttelte Bartholomew den Kopf, als er sich von dem blutigen Schauspiel des Todes vor ihm abwandte, und schenkte Dirick jetzt, da die Jagd vorüber war, seine volle Aufmerksamkeit. „Er war wenig mehr als ein kleiner Junge, als sein Papa und seine Mama von dem Turm auf Gladwythe in den Tod sprangen.“
„Er hat sie gefunden?“
„So ist es. Und sie waren gemeinsam gesprungen. Es sah aus, als würden sie sich an den Händen halten, und so schlugen sie auch unten im Burghof von Gladwythe auf.“
Dirick starrte ihn einen Augenblick lang an, während ihm ein kalter Schauer den Rücken runterkroch.
„Ludingdon, ist Euch ganz wohl?“, fragte Bartholomew und es klang wie von ganz weit her.
„Ich muss gehen.“ Dirick riss Nick an den Zügeln herum, das Herz hämmerte ihm in der Brust. Er gab seinem Pferd die Sporen und beugte sich nach vorne, über den Hals des Hengstes, um das Tier zur Eile anzutreiben. „Sagt dem König, ich habe ihn gefunden!“, rief er noch über seine Schulter zurück, als Pferd und Reiter durchs Unterholz
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