Krampus: Roman (German Edition)
entlang sah er ein vertrautes Gebäude und ging darauf zu.
Horton schien die Bar noch nicht geöffnet zu haben, aber drinnen brannte Licht, und davor stand ein Auto. Vernon hoffte, dass es dem Wirt gehörte, mit dem er am vergangenen Abend ziemlich gut ausgekommen war. Sicher bat der Mann ihn herein, damit er sich aufwärmen konnte, und vielleicht spendierte er ihm ja sogar einen Happen zu essen.
Da fiel Vernon auf, dass die Knospen, das junge Gras und die Blumen in der näheren Umgebung allesamt verdorrt waren, als trauerten sie um den Herrn der Julzeit. Obwohl er es sich nur widerwillig eingestand, tat es ihm leid, dass es mit dem Alten so ein schlimmes Ende genommen hatte. Er seufzte, trat auf die Veranda und bemerkte, dass ein Schild draußen am Fenstersims lehnte, auf dem KOCH GESUCHT stand. Er nahm es herunter und ging hinein.
***
»Sie sind alles andere als zufrieden mit dir«, sagte Elly.
Jesse lehnte sich in dem metallenen Bürostuhl zurück und spähte durch die gläserne Trennwand in den Vorraum vom Büro des Sheriffs. Dort sprach Sheriff Wright gerade mit den Ermittlern von der Landespolizei. Anscheinend verlief die Unterhaltung nicht besonders gut.
»Man kann es eben nicht jedem recht machen.«
Elly bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln. Sie war mit Jesse zur Schule gegangen. Ihm gefiel, wie sie Gitarre spielte, und sie hatten sogar mal ein, zwei Lieder zusammen geschrieben. Inzwischen arbeitete sie für den Sheriff.
»Alle Nachrichtenagenturen im Land berichten darüber«, sagte sie. »Der Gouverneur sitzt ihnen im Nacken und will Antworten. Du hättest heute Morgen mal CNN hören sollen. Die haben ohne Unterlass von den verstümmelten Leichen und von grassierender Bandengewalt in West Virginia gequasselt.« Sie schnaubte. »Es klang, als wäre Boone County ein Drittweltland.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ach ja, noch etwas. Hier.« Sie zog ein blaues Formular aus dem Stapel vor sich und reichte es Jesse zusammen mit einem Stift. »Ich brauche drei Kreuzchen von dir, wenn du deine Sachen wiederhaben willst.«
Jesse unterschrieb das Formular, und sie überreichte ihm einen Umschlag aus Manilapapier.
»Das ist alles?«, fragte er. »Ich kann gehen?«
»Sieht ganz danach aus.« Sie lächelte. »Der Sheriff ist allerdings nicht gerade glücklich darüber. Er ist sich sicher, dass du mehr weißt, als du zugibst.«
»He«, sagte Jesse in möglichst beiläufigem Tonfall. »Ich habe irgendwo läuten gehört, dass Chet Boggs was mit dem ganzen Schlamassel zu tun hat.«
»Ich weiß nur, dass ich eine landesweite Suchmeldung für ihn herausgeben musste. Aber bislang hat ihn anscheinend niemand gefunden.«
Vermutlich war es Zeitverschwendung, Chet in West Virginia zu suchen. In Mexiko oder Peru hätten sie wahrscheinlich mehr Glück gehabt. Jesse öffnete den Umschlag und zog seine Geldbörse samt Schlüsselbund daraus hervor.
»Chet ist nicht der Einzige, der mir verdächtig vorkommt«, bemerkte Elly. »Ich wüsste zum Beispiel gerne, was aus Polizeichef Dillard Deaton geworden ist. Nach allem, was mir bisher zu Ohren gekommen ist, gibt es keinerlei Hinweise auf seinen aktuellen Aufenthaltsort.«
Jesse zuckte mit den Schultern. »Wetten, dass er in der Hölle sitzt und sich wünscht, er wäre ein besserer Mensch gewesen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es überrascht mich jedenfalls kein bisschen, dass er in der Sache mit drinsteckt. Der Mann hatte immer schon etwas Unangenehmes an sich.« Elly beugte sich vor und flüsterte: »Verrat ja niemandem, dass ich dir das erzählt habe, aber es sind handfeste Beweise aufgetaucht, die ihn mit dem Tod seiner Frau in Verbindung bringen.«
»Sag bloß.«
»Man hat ein Foto von ihr entdeckt … tot … Ich habe es selbst gesehen.« Sie rümpfte die Nase. »Grausig. Jedenfalls wünsche ich mir, dass du recht hast. Hoffentlich schmort er wirklich in der Hölle.«
»Wären wir dann so weit?«, fragte Jesse.
»Ja, das wäre alles.«
Er stand auf, und sie begleitete ihn zur Tür. Der Sheriff und die Ermittler hörten auf zu reden, als er mit Elly den Vorraum betrat.
Wright bedachte Jesse mit einem strengen Blick. »Denk dran, was ich dir gesagt habe. Die Sache wird deutlich einfacher, wenn du mit allem herausrückst.«
»Das werde ich ganz sicher nicht vergessen, Sheriff«, antwortete Jesse im Gehen. »Ich wünsche Ihnen dann noch einen wunderbaren Tag.«
***
Vor dem Haus von Lindas Mutter hielt Jesse an. Er fuhr einen Ford Ranger mit großer
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