Kreuzzug gegen den Gral
verschiedenen Interpretationen für die heidnischen, das zweite für die bekannteren, christlichen Wurzeln der Gralslegende stehen.
Robert de Boron verarbeitet in seinem Fragment gebliebenen Werk die christliche Legende 8 um den reichen Kaufmann Josef von Arimathia, der ein heimlicher Jünger Jesu war. Mit einem Kelch fing er das Blut des Gekreuzigten auf, und in den Evangelien wird erwähnt, daß dieser Josef den Leichnam Jesu von Pilatus erbat, um ihn in seinem eigenen Grab zu bestatten. Nach der christlichen Auslegung ist dieser Kelch, der das Blut Christi auffing, der „Gral“.
Nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 floh Joseph von Arimathia aus Palästina 9 , um im Norden eine neue christliche Gemeinde zu gründen. Nach Boron endete diese Flucht in Britannien. Josefsoll den Gral mit sich geführt haben. Die Legende berichtet weiter, daß er eine Tafel für zwölf Personen gegründet haben soll, als Gedenken an das letzte Abendmahl Christi. Der dreizehnte Platz an dieser Tafel blieb immer leer, er wurde „der Gefährliche“ genannt, denn jedem, der sich dorthin setzte, brachte der Platz den Tod, außer demjenigen, der den Gral erringen würde. Nach anderen Autoren gelangt Josef von Arimathia nur bis zum europäischen Festland und übergibt den Gral dem sogenannten „Fischerkönig“, der mit einer Schar von Getreuen auf Munsalvaesche, dem Berg des Heils, einen Tempel für den Gral errichtet. Dort wird ein Orden von Gralsrittern ins Leben gerufen, um dem Gral zu hüten und ihm zu dienen. Die Ritter sitzen an einer Tafel und essen die Speisen, die ihnen der Gral, als „Tischlein deck dich“ spendet. Als der Fischerkönig Amfortas an Schenkel und Geschlechtsteilen von einem Speer verwundet wird verödet das „Königreich“ des Grals. Aus psychologischer Sicht ist dieser kranke, impotente König ein Gottesbild, das der Erneuerung bedarf. 10
Jene Lanze, die Amfortas die Wunde schlug, wird mit der Lanze des römischen Legionärs Longinus gleichgesetzt, die Christus am Kreuz durchbohrte. Neben dieser Lanze gehören nach Chrétien ein magisches Schwert und eine Platte 11 zur Gegenwart des Grals.
Der „Parzival“ des Wolfram von Eschenbach enthält zwar viele Gleichheiten Und Ähnlichkeiten dieses Sagenstoffes, aber die Bedeutung des Autors wird meist höher eingeschätzt, weil sein Parzival zahlreiche neue Elemente enthält und Wolfram deutlich auf die fehlerhafte Überlieferung des Chrétien de Troyes hinweist: „Ob von Troys der meister Christjân disem maere hât unrecht getân, daz mac wol zürnen Kyôt, der uns diu rehten maere enbôt.“ 12 Diesem Wolfram von Eschenbach folgte Otto Rahn, so wie Heinrich Schliemann dem Griechen Homer nach Troja folgte.
Zu den unterschiedlichen Eigenschaften des Grals, die bei Chrétien des Troyes und Robert de Boron, nicht aber von Wolfram von Eschenbach genannt werden, gehören: das Leuchten, seine beseligende Wirkung und die Vorteile, die er den Erwählten gewährt, wozu auch ihre völlige Unverletzbarkeit gehört.
„Schwerwiegender sind aber die Angaben Wolframs über den Gral, die bei Christian oder Robert keinerlei Entsprechung finden, nämlich: 1.) der Gral als Stein, genannt ‘lapsit exillis’; 2.) die Verbrennung des Phönix; 3.) neutrale Engel als Gralshüter; 4.) die Inschrift auf dem Stein; 5.) die Bezeichnung der Gralsritter als ‘templeise'; 6.) der wiederholte Hinweis, daß der Gral nur unbewußt gefunden werden kann; 7.) die Kenntnis des Grals aus den Sternen.“ 13
Schon durch diese Aufzählung ist zu erahnen, daß es bei Wolfram von Eschenbach andere spirituelle, astrologische und alchemi-stische Anspielungen gibt. Diesen Kontext spiegelt auch die nähere Bezeichnung des Grals als „lapsit exillis“ wieder. Die anscheinend verstümmelte Bezeichnung 14 wurde von Wissenschaftlern und verschiedenen Autoren sehr unterschiedlich gedeutet: „lapis erilis“ -„Stein des Herrn“ bei San Marte 15 , „lapis betillis oder betillus“ bei Hagen 16 , „lapis ex coelis oder de coelis“ - „Himmelsstein“ bei
Martin 17 und „llapis exilii“ - ‘Stein des Herausgehens’ bei Stein. 18 Unter dem Gesichtspunkt der alchemistischen Deutung ist weiter die Interpretation „lapis elixier“ von Burdach 19 und Palgen 20 zu nennen. Arnaldus de Villanova (gest. 1313) nennt den Lapis ‘lapis exilis’, den ‘unansehnlichen Stein’ (Rosarium, 1. c, p. 210)“ 21 , was eine Eigenschaft des alchemistischen „Steins der Weisen“ beschreibt. 22
Die
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