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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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dreifaltigen Benennung Gottes; von den drei Anfängen der Dinge, Schwefel, Merkur und Salz, oder von der Bedeutung des Quadrats und aller Figuren des salomonischen Tempels. Diese Klasse verehrte Peter, zu ihr gehörten hauptsächlich alte Brüder. Aber Peter nahm nicht Anteil an ihren Interessen, sein Herz wandte sich nicht der mystischen Seite der Freimaurer zu.
    Zur zweiten Klasse rechnete Peter sich selbst und die ihm ähnlichen Brüder, welche die Wahrheit suchten, schwankten, aber den wahren Weg zu finden hofften.
    Zur dritten Klasse rechnete er diejenigen Brüder, die in der Maurerei nichts sahen als die äußerlichen Formen und Zeremonien und diese äußeren Formen streng beobachteten, ohne sich um ihre Bedeutung zu kümmern. Zu dieser Klasse gehörte selbst Willarsky und sogar der Großmeister der Hauptloge und der größte Teil der Mitglieder.
    Zur vierten Klasse endlich rechnete er jene gleichfalls große Anzahl von Brüdern, welche besonders in der letzten Zeit der Brüderschaft beigetreten waren. Das waren nach Peters Beobachtung Leute, die an nichts glaubten, nichts wünschten und der Freimaurerei nur beigetreten waren, um jungen, reichen, durch ihre Verbindungen und ihre Vornehmheit wichtigen Brüdern sich zu nähern, deren es in der Loge sehr viele gab. In Peter regte sich Unzufriedenheit mit solcher Tätigkeit. Die Freimaurerei, wenigstens wie er sie kannte, schien ihm nur auf Äußerlichkeiten zu beruhen. Er dachte nicht daran, an der Freimaurerei selbst zu zweifeln, konnte sich aber der Befürchtung nicht erwehren, daß die russische Freimaurerei auf falschen Wegen wandelte.

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    Peter wurde wieder von derselben Schwermut überfallen, die er so sehr fürchtete. Eines Tages lag er allein auf seinem Diwan, empfing niemand und ging nicht aus. Da erhielt er einen Brief von seiner Frau, welche ihn um eine Zusammenkunft anflehte, von ihrer Sehnsucht zu ihm und von ihrem Wunsche, ihm ihr ganzes Leben zu weihen, schrieb. Am Ende des Briefes benachrichtigte sie ihn, daß sie in einigen Tagen aus dem Ausland in Petersburg ankommen werde.
    Bald darauf wurde die Einsamkeit Peters durch den Besuch eines der weniger angesehenen Freimaurer unterbrochen, der das Gespräch auf die ehelichen Umstände Peters lenkte und ihm als Bruder mitteilte, daß seine Strenge gegen seine Frau ungerecht sei, und daß Peter von dem ersten Gesetze der Freimaurerei abweiche, wenn er Reuigen nicht vergeben wollte.
    Um dieselbe Zeit ließ seine Schwiegermutter, die Frau des Fürsten Wassil, ihm sagen, sie lasse ihn dringend bitten, sie wenigstens auf einige Minuten zu besuchen, um eine sehr wichtige Angelegenheit zu besprechen. Peter sah, daß eine Verschwörung gegen ihn bestand, daß man ihn mit seiner Frau wieder vereinigen wollte, und in dem Zustand, in dem er sich befand, war ihm dies sogar nicht einmal unangenehm. Alles war ihm gleichgültig, nichts in seinem Leben erschien ihm als eine Sache von Wichtigkeit, und unter dem Einfluß der Schwermut, die ihn jetzt beherrschte, lag ihm nichts an seiner Freiheit noch an seiner Beharrlichkeit in der Bestrafung seiner Frau.
    »Niemand hat recht, niemand ist schuldig, also ist sie wohl auch unschuldig«, dachte er. Nur weil er in seinem trübsinnigen Zustand nicht imstande war, etwas zu unternehmen, erklärte er sogleich seine Einwilligung zur Wiedervereinigung mit seiner Frau. Wäre sie zu ihm gekommen, er hätte sie jetzt nicht zurückgestoßen. War es nicht gleichgültig im Vergleich mit dem, was ihn beschäftigte, ob er mit seiner Frau lebte oder nicht?
    Ohne seiner Frau noch seiner Schwiegermutter zu antworten, machte er sich eines Abends spät auf den Weg und reiste nach Moskau, um seinen Freund Joseph Alexejewitsch zu besuchen. In sein Tagebuch schrieb er:
Moskau, den 17. November.
    Soeben komme ich von dem Edlen und beeile mich, alles aufzuzeichnen, was ich dabei empfand. Joseph Alexejewitsch lebt in Armut und leidet schon im dritten Jahr an einer schmerzhaften Krankheit. Niemand hat ihn stöhnen oder murren gehört. Er empfing mich gnädig und ließ mich auf das Bett sitzen, in dem er lag. Ich machte ihm das Zeichen der Ritter des Orients und von Jerusalem, und er antwortete ebenso. Mit mildem Lächeln fragte er mich, was ich erfahren und erworben habe in dem preußischen und schottischen Lande. Ich erzählte ihm alles, wie ich es verstand. Er schwieg lange und dachte nach, dann teilte er mir seine Ansicht darüber mit, welche die ganze Vergangenheit und zugleich meinen

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