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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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daß er nichts verstehe.
    »Willst du? Da nimm!« sagte der Offizier, indem er dem Mädchen den Apfel reichte, den es lachend nahm. Neswizki wandte ebenso wie alle anderen die Augen nicht von den Frauen ab, bis sie vorübergefahren waren. Nach ihnen kamen wieder Soldaten und endlich blieben alle stehen. Die Pferde an einem Regimentswagen waren in Unordnung gekommen, und die ganze Menge mußte warten.
    »Warum warten sie? Was ist das für eine Ordnung?« riefen die Soldaten. »Zum Teufel, jetzt ist nicht Zeit, zu warten. Es kann schlimm werden, wenn er die Brücke anzündet!«
    Mit »er« meinten die Soldaten immer den Feind.
    Neswizki blickte auf die Wellen der Enns hinab, als er plötzlich ein ihm neues Geräusch vernahm, das rasch näher kam. Etwas Großes fiel klatschend ins Wasser, die Menge setzte sich wieder in Bewegung. Neswizki merkte, daß es eine Kanonenkugel gewesen war.
    »Heda, Kosak, gib das Pferd her!« sagte er. »Nun zur Seite mit euch, gebt den Weg frei!«
    Mit großer Anstrengung erreichte er das Pferd und setzte sich mit unaufhörlichem Schreien in Bewegung. Die Soldaten drückten sich aneinander, um ihm Raum zu geben, aber das Gedränge wurde immer stärker.
    »Neswizki! Neswizki! Du Fratze!« hörte er eine heisere Stimme hinter sich. Neswizki sah sich um und erblickte fünfzehn Schritte entfernt, durch die Massen der Infanterie gedrängt, den hübschen schwarzen Denissow, die Mütze im Genick und den Dolman umgehängt.
    »Befiehl doch diesem Satansvolk, mir den Weg freizugeben«, rief Denissow. Er war in heftigen Zorn geraten und schwang den Säbel in der Scheide.
    »Eh, Wassja«, rief Neswizki freudig aus, »wie geht's dir?«
    »Die Schwadron kann nicht hinüber«, rief Denissow zornig. »Wie eine Hammelherde! Gebt den Weg frei! Höre du da auf der Fuhre, ich steche dich nieder!« schrie er und zog wirklich den Säbel. Die Soldaten drängten sich erschrocken zusammen, und Denissow erreichte Neswizki.
    »Warum bist du heute nicht betrunken?« sagte Neswizki zu Denissow.
    »Sie lassen einem nicht Zeit dazu«, erwiderte Denissow. »Den ganzen Tag wird das Regiment bald hierhin, bald dorthin gejagt. Wenn man sich schlägt, so schlägt man sich, aber der Teufel weiß, was das heißen soll.«
    »Wie du heute fein bist!« sagte Neswizki, seinen neuen Dolman betrachtend. Denissow lächelte, zog sein parfümiertes Taschentuch heraus und hielt es Neswizki unter die Nase. »Es geht nicht anders, heute geht's ins Gefecht, darum habe ich mich rasiert und die Zähne geputzt und mich parfümiert.«
    Der Anblick der mächtigen Gestalt Neswizkis, begleitet von dem Kosaken, und die Entschiedenheit Denissows, der den Säbel schwang und fortwährend schrie und tobte, brachte es so weit, daß sie endlich das jenseitige Ufer erreichten. Neswizki fand den Obersten, dem er den Befehl zu überbringen hatte, und nachdem er seinen Auftrag ausgerichtet hatte, ritt er zurück. Als er den Weg freigemacht hatte, blieb Denissow am Ende der Brücke stehen. Er hielt sein ungeduldiges Pferd zurück und blickte der herankommenden Schwadron entgegen. Auf den Brettern der Brücke ertönten die Hufschläge, als ob einige Pferde galoppierten, und die Schwadron, mit den Offizieren an der Spitze, ritt in Gliedern von vier Mann über die Brücke. Die Infanteristen, die dadurch aufgehalten worden waren, standen vor der Brücke im Schmutz und betrachteten mit jenem besonderen mißgünstigen Gefühl und jener Spottsucht, womit Soldaten verschiedener Art gewöhnlich einander musterten, die reinlichen, zierlichen Husaren, die an ihnen vorüberritten.
    »Niedliche Kinderchen! Wie vom Jahrmarkt!«
    »Taugen nicht viel, sind nur zum Ansehen«, bemerkte ein anderer.

30
    Endlich hatten die Wagen alle die Brücke überschritten, das Gedränge verminderte sich, und das letzte Bataillon ging über die Brücke. Nur die Schwadron Denissow blieb auf dem jenseitigen Ufer. Der Feind war auf dieser Seite des Ufers weithin sichtbar, konnte jedoch von der tiefliegenden Brücke aus noch nicht gesehen werden. Plötzlich erschienen auf der Anhöhe vor der Brücke Soldaten in blauen Mänteln und Artillerie – das waren Franzosen. Die Soldaten der Nachhut kamen im Trab den Berg herab. Obgleich die Offiziere und Soldaten der Schwadron Denissow unter sich von gleichgültigen Dingen sprachen und sich bemühten, unbefangen zu erscheinen, dachten sie doch immer nur daran, was dort auf dem Berge vorging und blickten beständig nach den am Horizont erscheinenden

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