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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Flecken, die sie für feindliche Vorposten erkannten. Das Wetter hatte sich nachmittags wieder aufgeklärt, die Sonne schien hell über dem Donautal. Zuweilen ertönte Hörnerklang. Zwischen der Schwadron und dem Feinde befand sich nichts mehr, außer kleinen Streifwachen. Ein leerer Raum von dreihundert Faden trennte sie noch. Der Feind hatte aufgehört zu schießen und verriet durch nichts seine drohende Nähe.
    Auf der Anhöhe beim Feinde erhob sich eine kleine Rauchwolke, und eine Kanonenkugel flog pfeifend über die Köpfe der Schwadron hin. Die Offiziere, welche beisammen standen, trennten sich und gingen an ihre Stellen. In der Schwadron war alles schweigsam, die Husaren blickten alle nach dem Feind und nach ihrem Rittmeister und erwarteten den Befehl. Eine zweite, eine dritte Kanonenkugel flog vorüber; augenscheinlich wurde nach den Husaren geschossen, aber die Kugeln gingen zu hoch. Sooft eine Kugel vorüberflog, hielt die ganze Schwadron wie auf Kommando den Atem an, auf jedem Gesicht erschien um Lippen und Kinn der Ausdruck einer besonderen Aufregung. Der Wachtmeister blickte mit finsterem Gesicht die Soldaten an, als ob er sie mit Strafe bedrohe. Der Junker Rostow, der auf der linken Flanke stand, hatte das glückselige Aussehen eines Schülers, der vor einem großen Publikum beim Examen aufgerufen wird und sicher ist, sich auszuzeichnen, doch auch auf seinem Gesicht zeigte sich unwillkürlich ein eigentümlich ernster Zug.
    Denissows Gesicht war ebenso wie es immer aussah, besonders abends, wenn er zwei Flaschen Wein getrunken hatte; es war nur stärker gerötet als gewöhnlich. Er hob den Kopf auf, wie ein Vogel, wenn er trinkt, stieß mit seinen kleinen Beinen dem Pferde unbarmherzig die Sporen in die Seiten und ritt auf die andere Flanke der Schwadron. Er rief den Leuten mit heiserer Stimme zu, sie sollten ihre Pistolen besichtigen, und ritt zu Kirsten. Der Stabsrittmeister ritt auf seinem hohen Pferd Denissow im Schritt entgegen. Er war ernst wie immer, nur seine Augen glänzten stärker als sonst.
    »Nun, wie geht's?« sagte er zu Denissow, »kommt's nicht zum Schlagen? Du wirst sehen, wir gehen wieder zurück.«
    »Der Teufel weiß, was da vorgeht«, knurrte Denissow. »Ah, Rostow?« rief er dem Junker zu, als er sein vergnügtes Gesicht bemerkte. In diesem Augenblick erschien der Oberst auf der Brücke; Denissow ritt ihm entgegen.
    »Exzellenz, erlauben Sie, anzugreifen? Ich werde sie zurückwerfen!«
    »Was ist da anzugreifen?« sagte der Oberst mit verdrießlicher Stimme. »Und warum stehen Sie überhaupt dort? Sehen Sie, die Plänkler gehen zurück. Lassen Sie die Schwadron auch zurückgehen!«
    Die Schwadron ging über die Brücke und kam außer Schußweite, ohne einen Mann zu verlieren. Nach ihnen ging auch die zweite Schwadron hinüber, welche die Vorposten gebildet hatte, und zugleich die letzten Kosaken.
    Ein Adjutant ritt auf den Obersten zu mit dem Befehl, die Brücke anzünden zu lassen, und bald darauf kam auch auf einem Kosakenpferd Neswizki, welcher denselben Befehl überbrachte.
    »Wie, Herr Oberst«, rief er schon von fern, »ich habe Ihnen gesagt, die Brücke müsse angezündet werden, und jetzt geht alles drunter und drüber?«
    Ärgerlich ließ der Oberst das Regiment halten und wandte sich an Neswizki.
    »Sie sagten mir von Brennstoff«, sagte er, »aber davon, daß die Brücke angezündet werden soll, haben Sie mir nichts gesagt.«
    »Wieso, Väterchen«, begann Neswizki, indem er sein Pferd anhielt, die Mütze abnahm und über seine durchschwitzten Haare strich, »wieso habe ich Ihnen nicht gesagt, daß die Brücke angezündet werden soll?«
    »Ich bin nicht Ihr Väterchen, Herr Generalstabsoffizier, und Sie haben mir auch nicht gesagt, die Brücke müsse angezündet werden! Ich kenne den Dienst und bin gewöhnt, jeden Befehl pünktlich auszuführen. Sie haben gesagt, die Brücke werde angezündet, aber wer sie anzündet, kann ich nicht vom Heiligen Geist wissen.«
    »Nun, so ist's immer!« sagte Neswizki, die Achseln zuckend.
    »Sie sagten, Herr Generalstabsoffizier ...«
    »Herr Oberst«, unterbrach ihn der Adjutant, »die Zeit ist kostbar! Sie müssen sich beeilen, sonst werden Sie vom Feind mit Kartätschen beschossen!«
    Der Oberst sah in finsterem Schweigen den Adjutanten und Neswizki an. »Ich werde die Brücke anzünden«, sagte er in feierlichem Tone, als wollte er sagen, trotz des ihm angetanen Unrechts werde er dennoch tun, was nötig sei. Er ritt zurück und

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