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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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ihr Nachricht von Andree?« fragte sie.
    »Nein. Du weißt, daß noch keine Nachricht da sein kann. Aber Papa ist unruhig.«
    »Nichts weiter?«
    »Nein«, sagte Marie. Sie hielt es für besser, ihr nichts zu sagen, und überredete den Alten, die schreckliche Nachricht noch geheimzuhalten. Marie und der alte Fürst trugen und verbargen ihren Kummer, jedes nach eigener Weise. Der Alte wollte nicht mehr hoffen und entschied, Fürst Andree sei tot, und obgleich er einen Verwalter nach Österreich schickte, um nach Spuren seines Sohnes zu suchen, bestellte er doch zugleich in Moskau ein Denkmal, welches er in seinem Garten aufstellen wollte. Er sagte allen, sein Sohn sei gefallen, und bemühte sich, seine bisherige Lebensweise einzuhalten. Aber seine Kräfte verließen ihn; er ging weniger, aß weniger, schlief weniger und wurde mit jedem Tag schwächer.
    Fürstin Marie hoffte noch, sie betete für ihren Bruder wie für einen Lebenden, und erwartete jeden Augenblick die Nachricht von seiner Rückkehr.

66
    In jedem Lächeln, in jeder Bemerkung, sogar in jeder Bewegung lag ein Anflug von Trauer, die sich auf dieses Haus herabgesenkt hatte. Auch das Lächeln der kleinen Fürstin, welche sich der allgemeinen Stimmung anpaßte, obgleich sie deren Veranlassung nicht kannte, erinnerte jetzt an die allgemeine Trauer.
    »Meine Liebe, ich fürchte, von dem heutigen Frühstück wird mir übel werden«, sagte sie zu Marie.
    »Was ist dir? Du bist bleich geworden, meine Liebe, sehr bleich!« sagte Marie erschreckt.
    »Soll man nicht zu Maria Bogdanowna senden?« sagte eine der Kammerzofen. Maria Bogdanowna war die Wartefrau aus der Kreisstadt, welche schon seit zwei Wochen in Lysy Gory wohnte.
    »Ja, wirklich«, bestätigte Marie, »ich werde zu ihr gehen.«
    »Ach, nein, nein!« rief die Fürstin, und auf ihrem Gesicht erschien kindliche Angst vor unvermeidlichem physischen Leiden. »Nein, ich habe mir nur den Magen verdorben. Wirklich, Mascha!«
    Maria eilte in das Zimmer der Wartefrau. Diese kam ihr schon mit verständnisvoller, ruhiger Miene entgegen, indem sie die kleinen, vollen, weißen Hände rieb.
    »Maria Bogdanowna, es scheint, es fängt an!« sagte Marie erschrocken.
    »Nun, Gott sei Dank, Fürstin!« erwiderte sie, ohne sich zu übereilen.
    »Aber warum ist der Arzt aus Moskau noch nicht gekommen?«
    »Schadet nichts. Beruhigen Sie sich!« sagte Maria Bogdanowna. »Es wird auch ohne den Doktor alles gut werden.«
    Marie saß allein in ihrem Zimmer und horchte auf jedes Geräusch. Zuweilen, wenn jemand vorüberging, öffnete sie die Tür. Bald hörte sie, wie etwas Schweres vorübergetragen wurde und blickte hinaus. Zwei Diener trugen einen ledernen Diwan, der im Kabinett des Fürsten Andree gestanden hatte, ins Schlafzimmer. Auf ihren Mienen lag feierliche Ruhe. Sie wagte nicht zu fragen, verschloß die Tür und betete. Nach dem allgemeinen Glauben, je weniger Leute von den Leiden einer Gebärenden wissen, um so leichter werden diese Leiden sein, bemühten sich alle, unbefangen auszusehen.
    Im großen Mädchenzimmer herrschte Stille; im Dienerzimmer saßen alle schweigend und erwartend da. Der alte Fürst ging in seinem Kabinett auf und ab und sandte Tichon zu Maria Bogdanowna.
    »Sage nur, der Fürst hat befohlen, zu fragen: – was? Und dann sage mir, was sie geantwortet hat.«
    »Melde dem Fürsten, die Geburt habe begonnen«, sagte Maria Bogdanowna. Tichon ging und meldete es dem Fürsten.
    »Gut«, sagte der Fürst und schloß die Tür hinter sich. Tichon hörte nicht das geringste Geräusch mehr im Kabinett. Er wartete einige Zeit, dann trat er ein, als ob er Kerzen anstecken wollte. Der Fürst lag ruhig auf dem Diwan. Tichon sah ihn an, wiegte den Kopf, trat schweigend näher und küßte den Fürsten auf die Schulter. Dann ging er, ohne die Kerzen angezündet zu haben und ohne zu sagen, warum er gekommen war. Das erhabenste Geheimnis der Welt nahm seinen Verlauf. Der Abend verging, die Nacht brach an, und das Gefühl der gespannten Erwartung vor dem unerreichbar Erhabenen wuchs beständig. Niemand schlief.
    Es war eine jener stürmischen Märznächte, wo der Winter mit verzweifelter Wut um seine entschwindende Herrschaft zu kämpfen scheint. Auf die Landstraße waren Reiter mit Laternen ausgesandt worden, um den Doktor aus Moskau zu erwarten.
    »Gott ist gnädig«, sagte die alte Amme Maries, welche mit einem Strickstrumpf bei der Tür saß, »es wird kein Doktor nötig sein.« Plötzlich riß ein Windstoß einen

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