Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Wo sind sie? Ich frage den Wind, die ziehenden Wolken frage ich, ein Vogel, wollt' ich, brächte mir Kunde.«
Radegunde wurde Heilige, Helferin bei Krätze, Kinderfieber, Geschwüren – und nach dem Glauben vieler Bewohner von Poitiers, wo man auch ihren bischöflichen Freund als Heiligen verehrt, lag es nur an Radegunde, daß sie 1870/71 keine deutsche Besatzung bekamen. 18
4. Kapitel
Die Langobardeninvasion
»Bald wütete das wilde Volk der Langobarden wie ein Schwert, aus der Scheide seiner Wohnstatt gezogen, gegen unsern Nacken, und das Volk, das in unserm Lande wie eine dichte Saat dastand, wurde dahingemäht und verdorrte.«
Papst Gregor I. 1
Die Langobarden, die »Langbärte« (von longus, lang und barba, Bart), wie ihr Name traditionell gedeutet wird, eher den Ost- als den Westgermanen zugehörig, waren ein zahlenmäßig kleines Volk und kamen wahrscheinlich aus Skandinavien, vielleicht von Gotland. Um die Zeitenwende saßen sie, dadurch verwandt mit den Sachsen, an der unteren Elbe, wo ein Teil ihres Volkes auch ständig blieb und wo noch im 20. Jahrhundert die Namen Bardengau und Bardowiek an sie erinnern.
Jahrhundertelang werden die Langobarden in der Geschichte kaum genannt. Wie Bodenfunde belegen, folgten die Abwanderer zunächst der Elbe und zogen seit dem 4. Jahrhundert innerhalb von zweihundert Jahren bis zum Balkan: über Böhmen, Mähren, einen Teil des heutigen Niederösterreich, das »Rugiland« (das sie um 488 beim Abzug der – gleichfalls aus Skandinavien kommenden, gleichfalls germanischen – Rugier besetzten, die der Insel Rügen ihren Namen hinterließen). Sie drangen weiter über Ungarn nach Süden vor, ein Reich im Donauraum bis Belgrad schaffend. Langobardische Hilfstruppen hatten Justinians Kriege gegen die Perser sowie 552 unter Narses in der Entscheidungsschlacht gegen die Ostgoten (II 437) unterstützt. Von Byzanz enttäuscht, verbündete sich ihr Führer Alboin mit den Awaren und rottete mit diesen 567 in einer weiteren Entscheidungsschlacht das Reich der Gepiden aus, eines weiteren ostgermanischen Stammes – ein solches Gemetzel, auf beiden Seiten angeblich 60000 Tote, »daß von dem zahlreichen Volke kaum noch ein Bote übrigblieb, die Vernichtung zu melden« (Paulus Diakonus).
Alboin nahm die Tochter des erschlagenen Gepidenkönigs Kunimund, Rosemund, zur Frau. Doch nun saßen die Gepiden nicht mehr zwischen Langobarden und Awaren, die alsbald nachdrängten. Und im Frühjahr 568 verließ, so ein zeitgenössischer burgundischer Chronist, »das gesamte langobardische Heer, nachdem es seine Wohnsitze in Brand gesteckt hatte, gefolgt von Frauen und der übrigen Bevölkerung« Pannonien. Unter Druck der awarischen Expansion und gelockt vom Süden, fielen sie, geführt von ihrem König Alboin, über Emona (Laibach) und die Pässe der Julischen Alpen in den meist ungeschützten Norden Italiens ein – derselbe Weg, über den einst schon Alarich und Theoderich gezogen.
Es war der letzte große Treck der Völkerwanderung – ein fast harmlos klingendes Wort, aber ein jahrhundertelanges Rauben, Massenmorden, Hungern und Verhungern steht dahinter, das Verkaufen auch von Männern, Frauen, Kindern auf den Sklavenmärkten, so meldet ein Augenzeuge, »wie minderwertiges Vieh«. Und zwei Jahrhunderte später werden die Langobarden selber aufgerieben, zermahlen von dem, was schlicht Geschichte heißt und doch kaum mehr ist als die unbändige Macht- und Mordgier des Menschen.
Mit den Langobarden, alles in allem vielleicht 130000 sogenannte Seelen, kamen noch andere Stammesgruppen, Völkerschaften aus Pannonien, Norikum, dem Balkan, viele Sachsen, Reste der Gepiden, Thüringer, Sueben, slawische Sarmaten. Und wie die Langobarden für die Integration anderer offen waren, so auch für religiöse Toleranz. Seit etwa 500 weitgehend christianisiert, bestand ihre große Mehrheit aus Arianern. Doch gab es bei ihnen auch Katholiken – Alboin selbst war zunächst mit Chlotars I. Tochter Chlodosinda verheiratet –, es gab vor allem Heiden, die, nicht im mindesten bekämpft, noch länger ihre Opfer und Opferschmäuse hielten, wobei der Glaubenswechsel einzelner Könige anscheinend kaum eine Rolle spielte. 2
Der Einfall
In Italien als dünne Herrenschicht in Städten und Burgen hausend, gründeten die Langobarden das letzte Germanenreich auf dem Boden des einstigen Imperium Romanum. Erst im Jahrzehnt zuvor hatte man dort die arianischen Ostgoten in einem grauenhaften Krieg, einem
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