Kristall der Träume
sich im Schlamm wälzten, um ihre von der Sonne ausgedörrte Haut zu kühlen oder ihre Massen so weit im Wasser unterzutauchen, dass nur noch der Rüssel zum Atmen herausschaute. Aber weit und breit war nichts an Elenantilopen oder Störchen oder Elefanten auszumachen.
Als sie am Gerippe eines Zebras vorbeikamen, war die Freude zunächst groß. Als sie dann aber feststellen mussten, dass die langen Knochen bereits aufgebrochen waren und alles Mark herausgesaugt, machte sich Enttäuschung breit. Eine genauere Untersuchung der Spuren an dem Gerippe war überflüssig: Hyänen hatten sie um ihren Festschmaus gebracht.
Sie zogen weiter. Kurz vor einem mit Gras überzogenen Hang bedeutete Löwe der Gruppe unvermittelt, stehen zu bleiben und sich ganz still zu verhalten. Sie lauschten und vernahmen in unmittelbarer Nähe eine Art Miauen, das typische Zirpen von Geparden, wenn sie sich mit ihren Jungen verständigen. Vorsichtig zogen sich die Menschen im Windschatten zurück, um zu vermeiden, dass die Raubkatzen ihre Witterung aufnahmen.
Während sich Frauen und Kinder wieder daranmachten, essbare Pflanzen und Insekten zu sammeln, richteten sich die Männer mit ihren hölzernen Speeren auf möglicherweise auftauchendes Wild ein.
Auf taktisches Jagen verstanden sie sich zwar nicht, aber sie wussten, dass eine Giraffe am leichtesten beim Trinken an einer Wasserstelle zu erledigen war, musste sie dazu doch die Beine spreizen und bot dann in dieser Stellung ein leichtes Ziel für diejenigen, die geschickt mit zugespitzten Stöcken umzugehen wussten. Plötzlich stieß Nüster einen Freudenschrei aus, kniete nieder und deutete auf Schakalspuren auf dem Boden. Schakale waren dafür bekannt, dass sie die Beute, die sie geschlagen hatten, erst einmal eingruben und später dann zum Fressen zurückkamen.
Allerdings förderte das daraufhin einsetzende eifrige Durchwühlen der Erde in der unmittelbaren Umgebung keinen vergrabenen Tierkadaver zutage.
Schwitzend, hungrig und durstig zogen sie weiter – als Löwe endlich ein Triumphgeheul ausstieß. Die anderen deuteten dies als Zeichen, dass er Wasser entdeckt hatte, und fingen an zu rennen. Die Große schlang den Arm um Alte Mutter und zog sie mit sich. Löwe war nicht seit jeher der Anführer der Familie gewesen. Vor ihm hatte ein Mann namens Fluss diese Stellung eingenommen. Seinen Namen verdankte er einer gefährlichen Sturzflut, der er entkommen war.
Eine Zeit lang hatte Fluss die Vormachtstellung in der Gruppe inne.
Bis Löwe ihn wegen einer Frau herausforderte. Es war ein Kampf auf Leben und Tod gewesen. Vor den Augen der Familie, die die beiden mit Johlen und Anfeuerungsrufen bedachte, schlugen sie mit ihren Keulen so lange aufeinander ein, bis Fluss schließlich blutüberströmt das Weite suchte, während Löwe triumphierend die Fäuste reckte und gleich darauf die freudig erregte Honigfinderin bestieg. Von Fluss hatte man nie wieder gehört. Seit dieser Zeit war die Familie Löwe gefolgt. Wie die Herden, die um sie herum in der Savanne grasten, benötigte die Horde einen Anführer, um zu überleben. Stets gab es einen, der sich von den anderen abhob, sei es durch körperliche Kraft oder Entschlossenheit. Nicht immer war es ein Mann. Vor Fluss hatte es eine starke Frau gegeben, Hyäne – so genannt wegen ihres hyänenhaften Lachens –, die die Familie bei der niemals endenden und stets im gleichen Rhythmus erfolgenden Nahrungssuche angeführt hatte. Hyäne kannte die Grenzen des Territoriums, wusste um die guten Wasserstellen und wo Beeren wuchsen und wann Nüsse und Samen reif waren. Nachdem sie sich eines Nachts ein Stück von den anderen entfernt hatte und, Ironie des Schicksals, prompt von einer Hyänenmeute angefallen und zerrissen worden war, war die Familie erst einmal führerlos herumgewandert, bis sich dann nach der Sturzflut Fluss als ihr neuer Anführer hervorgetan hatte. Jetzt war es Löwe, der sie zu der Wasserstelle führte, die ihm von vier Jahreszeiten zuvor noch in Erinnerung war –
ein durch einen Felsvorsprung geschütztes Wasserloch. Alle machten sich darüber her und tranken gierig. Als sie sich jedoch daraufhin nach Essbarem umsahen, entdeckten sie nichts. Keine Sandbank, um nach Schildkröteneiern oder Schalentieren zu graben, keinerlei Blumen mit zarten Wurzeln, nichts Pflanzliches mit schmackhaftem Samen. Missmutig beobachtete Löwe die vergebliche Suche – mit Sicherheit war hier einmal Gras gewachsen –, um schließlich mit einem Brummen
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