Kritik der praktischen Vernunft
Vorstellung des Gesetzes, als Bestimmungsgrunde, angelegt sein, wenn die Handlung nicht bloß Legalität , sondern auch Moralität enthalten soll. Neigung ist blind und knechtisch, sie mag nun gutartig sein oder nicht, und die Vernunft, wo es auf Sittlichkeit ankommt, muß nicht bloß den Vormund derselben vorstellen, sondern, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen, als reine praktische Vernunft ihr eigenes Interesse ganz allein besorgen. Selbst dies Gefühl des Mitleids und der weichherzigen Teilnehmung, wenn es vor der Überlegung, was Pflicht sei, vorhergeht und Bestimmungsgrund wird, ist wohldenkenden Personen selbst lästig, bringt ihre überlegten Maximen in Verwirrung, und bewirkt den Wunsch, ihrer entledigt und allein der gesetzgebenden Vernunft unterworfen zu sein.
Hieraus läßt sich verstehen: wie das Bewußtsein dieses Vermögens einer reinen praktischen Vernunft durch Tat (die Tugend) ein Bewußtsein der Übermacht über seine Neigungen, hiermit also der Unabhängigkeit von denselben, folglich auch der Unzufriedenheit, die diese immer begleitet, und also ein negatives Wohlgefallen mit seinem Zustande, d.i. Zufriedenheit , hervorbringen könne, welche in ihrer Quelle Zufriedenheit mit seiner Person ist. Die Freiheit selbst wird auf solche Weise (nämlich indirekt) eines Genusses fähig, welcher nicht Glückseligkeit heißen kann, weil er nicht vom positiven Beitritt eines Gefühls abhängt, auch genau zu reden nicht Seligkeit , weil er nicht gänzliche Unabhängigkeit von Neigungen und Bedürfnissen enthält, der aber doch der letztern ähnlich ist, so fern nämlich wenigstens seine Willensbestimmung sich von ihrem Einflusse frei halten kann, und also, wenigstens seinem Ursprunge nach, der Selbstgenugsamkeit analogisch ist, die man nur dem höchsten Wesen beilegen kann.
Aus dieser Auflösung der Antinomie der praktischen reinen Vernunft folgt, daß sich in praktischen Grundsätzen eine natürliche und notwendige Verbindung zwischen dem Bewußtsein der Sittlichkeit, und der Erwartung einer ihr proportionierten Glückseligkeit, als Folge derselben, wenigstens als möglich denken (darum aber freilich noch eben nicht erkennen und einsehen) lasse: dagegen, daß Grundsätze der Bewerbung um Glückseligkeit unmöglich Sittlichkeit hervorbringen können: daß also das oberste Gut (als die erste Bedingung des höchsten Guts) Sittlichkeit, Glückseligkeit dagegen zwar das zweite Element desselben ausmache, doch so, daß diese nur die moralisch-bedingte, aber doch notwendige Folge der ersteren sei. In dieser Unterordnung allein ist das höchste Gut das ganze Objekt der reinen praktischen Vernunft, die es sich notwendig als möglich vorstellen muß, weil es ein Gebot derselben ist, zu dessen Hervorbringung alles Mögliche beizutragen. Weil aber die Möglichkeit einer solchen Verbindung des Bedingten mit seiner Bedingung gänzlich zum übersinnlichen Verhältnisse der Dinge gehört, und nach Gesetzen der Sinnenwelt gar nicht gegeben werden kann, obzwar die praktische Folge dieser Idee, nämlich die Handlungen, die darauf abzielen, das höchste Gut wirklichzumachen, zur Sinnenwelt gehören; so werden wir die Gründe jener Möglichkeit erstlich in Ansehung dessen, was unmittelbar in unserer Gewalt ist, und dann zweitens in dem, was uns Vernunft, als Ergänzung unseres Unvermögens, zur Möglichkeit des höchsten Guts (nach praktischen Prinzipien notwendig) darbietet und nicht in unserer Gewalt ist, darzustellen suchen.
III Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der spekulativen
Unter dem Primate zwischen zwei oder mehreren durch Vernunft verbundenen Dingen verstehe ich den Vorzug des einen, der erste Bestimmungsgrund der Verbindung mit allen übrigen zu sein. In engerer, praktischer Bedeutung bedeutet es den Vorzug des Interesses des einen, so fern ihm (welches keinem andern nachgesetzt werden kann) das Interesse der andern untergeordnet ist. Einem jeden Vermögen des Gemüts kann man ein Interesse beilegen, d.i. ein Prinzip, welches die Bedingung enthält, unter welcher allein die Ausübung desselben befördert wird. Die Vernunft, als das Vermögen der Prinzipien, bestimmt das Interesse aller Gemütskräfte, das ihrige aber sich selbst. Das Interesse ihres spekulativen Gebrauchs besteht in der Erkenntnis des Objekts bis zu den höchsten Prinzipien a priori, das des praktischen Gebrauchs in der Bestimmung des Willens , in Ansehung des letzten und vollständigen Zwecks. Das, was zur
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