Kritik der praktischen Vernunft
Bedingung des übrigen, (was zum Zustande gehört) nämlich des Anteils an Glückseligkeit ausmacht. Nun folgt hieraus: daß man die Moral an sich niemals als Glückseligkeitslehre behandeln müsse, d.i. als eine Anweisung der Glückseligkeit teilhaftig zu werden; denn sie hat es lediglich mit der Vernunftbedingung (condito sine qua non) der letzteren, nicht mit einem Erwerbmittel derselben zu tun. Wenn sie aber (die bloß Pflichten auferlegt, nicht eigennützigen Wünschen Maßregeln an die Hand gibt,) vollständig vorgetragen worden: alsdann allererst kann, nachdem der sich auf ein Gesetz gründende moralische Wunsch das höchste Gut zu befördern (das Reich Gottes zu uns zu bringen), der vorher keiner uneigennützigen Seele aufsteigen konnte, erweckt, und ihm zum Behuf der Schritt zur Religion geschehen ist, diese Sittenlehre auch Glückseligkeitslehre genannt werden, weil die Hoffnung dazu nur mit der Religion allererst anhebt.
Auch kann man hieraus ersehen: daß, wenn man nach dem letzten Zwecke Gottes in Schöpfung der Welt fragt, man nicht die Glückseligkeit der vernünftigen Wesen in ihr, sondern das höchste Gut nennen müsse, welches jenem Wunsche dieser Wesen noch eine Bedingung, nämlich die der Glückseligkeit würdig zu sein, d.i. die Sittlichkeit eben derselben vernünftigen Wesen, hinzufügt, die allein den Maßstab enthält, nach welchem sie allein der ersteren, durch die Hand eines weisen Urhebers, teilhaftig zu werden hoffen können. Denn, da Weisheit , theoretisch betrachtet, die Erkenntnis des höchsten Guts , und praktisch, die Angemessenheit des Willens zum höchsten Gute bedeutet, so kann man einer höchsten selbständigen Weisheit nicht einen Zweck beilegen, der bloß auf Gütigkeit gegründet wäre. Denn dieser ihre Wirkung (in Ansehung der Glückseligkeit der vernünftigen Wesen) kann man nur unter den einschränkenden Bedingungen der Übereinstimmung mit der Heiligkeit 14 seines Willens, als dem höchsten ursprünglichen Gute angemessen, denken. Daher diejenigen, welche den Zweck der Schöpfung in die Ehre Gottes (vorausgesetzt, daß man diese nicht anthropomorphistisch, als Neigung gepriesen zu werden, denkt,) setzten, wohl den besten Ausdruck getroffen haben. Denn nichts ehrt Gott mehr, als das, was das Schätzbarste in der Welt ist, die Achtung für sein Gebot, die Beobachtung der heiligen Pflicht, die uns sein Gesetz auferlegt, wenn seine herrliche Anstalt dazu kommt, eine solche schöne Ordnung mit angemessener Glückseligkeit zu krönen. Wenn ihn das letztere (auf menschliche Art zu reden,) liebenswürdig macht, so ist er durch das erstere ein Gegenstand der Anbetung (Adoration). Selbst Menschen können sich durch Wohltun zwar Liebe, aber dadurch allein niemals Achtung erwerben, so daß die größte Wohltätigkeit ihnen nur dadurch Ehre macht, daß sie nach Würdigkeit ausgeübt wird.
Daß, in der Ordnung der Zwecke, der Mensch (mit ihm jedes vernünftige Wesen) Zweck an sich selbst sei, d.i. niemals bloß als Mittel von jemandem (selbst nicht von Gott) ohne zugleich hierbei selbst Zweck zu sein, könne gebraucht werden, daß also die Menschheit in unserer Person uns selbst heilig sein müsse, folgt nunmehr von selbst, weil er das Subjekt des moralischen Gesetzes , mithin dessen ist, was an sich heilig ist, um dessen willen und in Einstimmung mit welchem auch überhaupt nur etwas heilig genannt werden kann. Denn dieses moralische Gesetz gründet sich auf der Autonomie seines Willens, als eines freien Willens, der nach seinen allgemeinen Gesetzen notwendig zu demjenigen zugleich muß einstimmen können, welchem er sich unterwerfen soll.
VI Über die Postulate der reinen praktischen Vernunft überhaupt
Sie gehen alle vom Grundsatze der Moralität aus, der kein Postulat, sondern ein Gesetz ist, durch welches Vernunft unmittelbar den Willen bestimmt, welcher Wille eben dadurch, daß er so bestimmt ist, als reiner Wille, diese notwendigen Bedingungen der Befolgung seiner Vorschrift fordert. Diese Postulate sind nicht theoretische Dogmata, sondern Voraussetzungen in notwendig praktischer Rücksicht, erweitern also zwar nicht das spekulative Erkenntnis, geben aber den Ideen der spekulativen Vernunft im Allgemeinen (vermittelst ihrer Beziehung aufs Praktische) objektive Realität, und berechtigen sie zu Begriffen, deren Möglichkeit auch nur zu behaupten sie sich sonst nicht anmaßen könnte.
Diese Postulate sind die der Unsterblichkeit , der Freiheit , positiv betrachtet, (als der
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